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Technik - Phasen,
Lösungen, Varianten |
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Auf
dieser Spezialseite zu Technik-Varianten möchten wir
verschiedene
Wege der Technik darstellen. Um einem Athleten eine individualisierte
Technik beibringen zu können ist die Kenntnis verschiedener
Lösungen einer Bewegungsaufgabe unabdingbar. Da dies sowohl in
der
Leiter-Ausbildung wie auch in der Literatur eher dürftig
vermittelt wird, möchten wir diese Lücke hiermit zu
schliessen versuchen.
» Das schönste
Technikvergleichs-Video auf Youtube, das ich fand ist dieses spanische Video.
» René-Jean Monneret hat in diesem Beitrag und Videos die
Speerwurf-Technik gut zusammengefasst |
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Prolog:
Die
Grenze der Gestaltungsfreiheit ist das Reglement. Dieses musste im Lauf
der Zeit mehrmals angepasst werden. So unter anderem 1956, als die
Spanier Félix Erausquin
oder Miguel Salcedos (83.43m) den Speer mit einer auf die traditionelle
Palankaris zurückgehende Drehtechnik schon bald bis an die
damalige
Weltrekordweite von Janusz Sidlo von 83.66m heran schleuderten. Die
Technik wurde
kurz darauf mit Hinweis auf die
Gefärlichkeit berechtigterweise verboten. Ein
schöner
Artikel über die Geschichte dieses Stils findet sich hier. |
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A. Der Anlauf |
Beobachtungen
und Vergleich der Anlaufsgestaltung junger Werfer in Finnland mit der
Schweiz
Im Teilbereich Anlauf/Abwurf haben unsere
Athleten gegenüber den durchschnittlichen finnischen
WerferInnen einen grossen technischen Rückstand. Erstens
laufen sie aus kürzerem Anlauf und viel langsamer an und
nehmen somit weniger Tempo mit. Zweitens wären die
allermeisten unserer Athleten nicht in der Lage schnelle Tempi in den
Abwurf umzusetzen. Warum?
Ich stellte bei meinen Beobachtungen in Finnland eine völlig
andere Kultur beim Anlaufen fest. Es ist in Finnland bereits
für die allerjüngsten WerferInnen ganz
selbstverständlich, dass sie aus einem längeren
Anlauf anlaufen, bevor sie abwerfen. Es ist eine ganzheitliche
Schulung, die dort von den Trainern nicht wie bei uns geradezu
verhindert wird. Sie bringen sich das Umsetzen von schnellen
Anlauftempi "on the training" selber bei:
Video von
8-10-jährigen finnischen Kids beim freien Trainingswerfen
Bei uns wird dies durch Trainer schlichtweg verhindert, die (freilich
in guter Absicht!) die Athleten zuerst ausgiebig aus Stand und 3er
werfen lassen wollen, bevor sie den Kids dann längere
Anläufe
erlauben. Hier müssen wir umdenken und einen Paradigmawechsel
vollziehen! Technisch schwierig ist beim Werfen ja insbesondere die
Verknüpfung zwischen Anlauf und Abwurf. Deshalb soll man diese
Schlüsselstelle bereits früh üben und
erlernen - wenns
noch leichter fällt. Ganzheitlichkeit im Wurfbereich heisst: Anlaufen
plus Abwerfen.
Fazit:
Ich finde, 5-7 Anlaufschritte gehören bereits ins
Kinder-LA-Programm! Sobald jemand über die Schulter werfen
kann,
soll als nächstes sofort ein Anlauf aus 5 oder mehr Schritten
vorhergeschaltet werden. Der 3-Schrittanlauf ist meiner Ansicht nach
auf keiner Stufe ein Wettkampf-Anlauf, sondern nur eine Zwischenstufe
auf dem Weg zum 5er oder 7er-Anlauf. |
Pflicht-Lektüre:
Klaus Bartonietz hat den Anlauf in seinem Artikel "Der
Impuls für weite Speerflüge" in der
Zeitschrift leichtathletiktraining Nr. 7/2004 sehr gut beschrieben,
korrekt eingeordnet und gebührend gewürdigt. |
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1. Tragelauf (Zylischer
Anlaufteil)
Da dieser Teil
einzig dazu dient, den Körper auf Tempo zu bringen und
für die Hauptphase oder deren Vorbereitung kaum Einfluss hat,
sind hier viele Varianten denkbar: von der gängigen
Speerhaltung neben dem Kopf beginnend bis zu Vertikal-Tragarten
à la Steve Pearson, Chris Hill oder Aki Parviainen ist hier alles
denkbar. Der Tragelauf darf am Schluss aber nur so schnell sein, dass
nach dem Übergang in den Rückhaltelauf ein weiterer
Tempogewinn möglich ist.
Ein methodischer Ansatz, den ich noch sympatisch finde ist, den
Tragelauf punkto Rhythmus oder Charakter vom Rückhaltelauf
verschieden zu gestalten und so eine Dynamikerhöhung in den
anschliessenden Rückhaltelauf zu erleichtern. |
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2. Rückführung
Die
Rückführung ist die erste Phase zur Wurfvorbereitung.
Sie kann durch eine Zwischenmarke perforiert werden. Den v.a. in
Deutschland oft zu beobachtenden, begleitenden "Hopser" finde ich
persönlich überflüssig und für die
weitere Beschleunigung der nachfolgenden Schritte eher kontraproduktiv.
Mit der Speerrückführung dreht sich die Schulterachse
um ca. 90° entgegen der Wurfrichtung. Manche Werfer nehmen die
Wurfschulter noch stärker zurück (z.B. De Zordo oder
früher Zelezny), um auch die seitliche Rumpfmuskulatur in die
Wurfbewegung einzubringen.
Bei dieser "Schaltstelle" im Übergang vom frontalen Anlauf zum
Lauf in seitlicher Körperhaltung gab es in der Geschichte des
Speerwerfens verschiedene Ausführungsvarianten, die als
gleichberechtigt angesehen werden müssen. Die
Rückführung des Speers mit anschliessendem Abdrehen
im Oberkörper (und Hüfte) erfolgt in der Regel auf 2
Schritten, vereinzelt auch auf einem Schritt.
Schwedische
Rückführung |
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Ausführung:
Arm horiziontal geradlinig auf 1 bis 2 Schritten nach hinten
führen
Vorteile/Nachteile:
einfach
auszuführen, wenig Fehlerpotenzial (Armhöhe)
individuelle Stärken evtl. nicht ausgenutzt
Fazit:
Die verbreitetste und methodisch wohl einfachste
Rückführung, am besten auf 2 Schritten
ausgeführt |
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Finnische
Rückführung |
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Ausführung: Arm
bogenförmig nach vorn-unten, dann nach hinten
aufwärts führen
Vorteile/Nachteile:
allenfalls
grössere Lockerheit in der Wurfschulter
erhöhtes Fehlerpotenzial (Wurfarm bleibt unter Schulterniveau)
Fazit:
Heute eher selten ausgeführt. Bsp: Zelezny, Lusis, Oosthuizen, Mickle |
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Russische
Rückführung |
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Ausführung: Arm (meist aus eh
bereits) hoher Haltung bogenförmig
aufwärts-rückwärts nach hinten
führen
Vorteile/Nachteile:
hohe
Ellbogenposition wahrscheinlich
führt oft zu eher verkrampfter
Schulter/Oberkörper-Position
Fazit:
Heute eher selten zu sehen. Bsp: Laasma |
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3. Rückhaltelauf (Übergang
zu / azylischer Anlaufteil)
3a)
Varianten der Schrittgestaltung
Im Sinne individueller Gestaltung kann der
Rückhaltelauf unterschiedlich lang sein: von minimal 3-5
Schritten an aufwärts bis ca. 9 Schritten sind hier mehrere
Varianten gebräuchlich.
Es ist festzustellen, dass in der kontinental-europäischen
Methodik ein 5er-Rhythmus dominiert (Rückführung
rechts-links
und dann tatatam-tatam); in Deutschland beinahe doktrinär.
Mittlerweilen aber auch sehr oft zu beobachten sind längere
Rückhaltelauf-Längen (z.B. 7 Schritte). Diese
Athleten tun
dies unter anderem "aus Zeitgründen", um ihre optimale
Körper- und Beinposition zum Impulsschritt besser, d.h. vor
allem
ohne Hektik einnehmen zu können. Die Schwierigkeit dieser
Variante
ist, das Tempo trotz zurück gehaltenem Arm weiter zu steigern.
Es
erfordert halt nebst grossen Beinschnelligkeitsvoraussetzungen und
einem gewissen "Anlauftalent" auch viel Übung.
Beispiele: Krammes, Takala, Wallin, Hatsko, Sayers
Als weitere Variante, die im RTP Jugend Wurf des DLV (S. 144) genannt
wird: "der 7er Rückhaltelauf mit doppeltem Impulsschritt". Dem
stehe ich sehr skeptisch gegenüber, weil es hierdurch zu einer
zweifachen Auf-und-Abbewegung und einem damit verbundenen massiven
Abbremsen der Anlaufgeschwindigkeit kommt. Nach einem Impulsschritt
nochmals mit einem zweiten Impulsschritt eine weitere Tempogsteigerung
vor dem Stemmschritt hinzukriegen ist alles andere als einfach. Nix
für die Masse jedenfalls.
3b)
Varianten der Beinarbeit im Rückhaltelauf
Auch punkto Ausführung der Beinarbeit im
Rückhaltelauf sind mehrere Varianten zu beobachten.
Die klassische kontinental-europäische Schule am Beispiel von
Sarah Mayer (GER, U23-Europameisterin 2011) ist am verbreitetsten und
als Grundform sicher auch von jedem Athleten zunächst
sinnvollerweise zu erlernen. Sie lehrt eine vor dem Körper
"schaufelnde" Beinarbeit mit stetig leichter Rücklage, d.h.
die Beine arbeiten/setzen deutlich sichtbar vor dem Körper und
sind ziemlich gestreckt. Manche tun dies mit zackig
ausgeführten, eher etwas längeren Schritten. Das
vordere Bein bleibt dabei im Knie ziemlich gestreckt. Das rechte Knie
wird nach vorne und nicht zu hoch geführt. Viele deutsche und
russische WerferInnen wenden diese Form an.
Bildreihe:
der sehr dynamische, flüssige
Rückhaltelauf von Nathalie Meier aus dem Jahr 2013 (JPG,
MOV) war eine Lösung nach
finnischer Philosophie, nämlich mit der Hüftachse
immer auf einer Horizontallinie
zu bleiben. Dazu muss man in
Knie und Hüft von Beginn weg leicht abgesenkt sein. Mit dem
vorderen Bein wird mehr unter dem Körper
durch gezogen.
Und mit dem hinteren Bein wird flacher nach hinten
weggedrückt.
Die Körperachse ist dadurch insgesamt aufrechter. Die
Füsse
zeigen im Gegensatz zu Sarah Mayer mehr nach vorne. Der Unterschenkel
pendelt weder mit rechts noch mit links nach vorne aus. Das Bodenfassen
passiert aus vorgespannten Fussgelenken aktiv und nach hinten
nachschlagend. Verblüffend ähnlich im
Rückhaltelauf-Stil
ist Vitezslav
Vesely.
Bei meinem Besuch
2011 bei Tino Lang und seiner Gruppe des SC Potsdam (eine der
hochkarätigsten Speerwurf-Trainingsgruppen in Deutschland),
zu der eben auch die U20-/U23-Medaillengewinnerinnen Sarah Mayer und
Laura Henkel gehören, konnte ich interessante
Vergleichs-Aufnahmen machen.
Anlauf-Studie Vergleich
Rückhaltelauf Sarah Mayer und Nathalie Meier
(72.8MB)
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Finnischer Anlauf: schnelle
Beinarbeit, flache Knieführung, kleinere Schritten
Aus Finnland kommt dagegen eine mit aufrechtem Oberkörper und
unter dem Körperschwerpunkt geführte Beinarbeit mit
etwas tieferer Kniearbeit, dafür etwas höherer
Frequenz.
Mit dieser Variante hüpft der Schwerpunkt weniger auf-und-ab
und
Distanzkorrekturen sind einfacher zu bewerkstelligen. Insbesonder gelingt
es den Athleten so besser, den Schritt zum
Impulsschritt (viertletzter zum drittletzten Bodenkontakt) genauer und
auch effektiver zu setzen. |
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Frontalanlauf: sehr frontale
Hüftausrichtung nach vorn für
Schnelligkeits-Maximierung
Es gibt auch Athleten, die extrem frontal anlaufen um ein sehr
hohes Anlauftempo zu forcieren. Mirela Manjani-Tzelili war so eine
Werferin. Diese Variante, die sie zusammen mit ihrer extrem beweglichen
Schulter auszeichnete, war die Lösung der nur 1.64m kleinen
Athletin um 1999 mit 67.09m einen Weltrekord zu werfen und zweimalige
Weltmeisterin (99+03) zu werden. Heute wirft Mariya Abakumova so
ähnlich. Die Belastung aufs Schultergelenk ist hier gross. |
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Sehr hohe
Knieführung: ähnlich
einem Kniehebelauf
Eher wenig WerferInnen führen die Knie sehr hoch. Barbora Špotáková (Slo-Mo ab 1:48min)
hat einen solchen Anlaufstil, der ihr hilft, die
Oberkörperposition für den Schlussabschnitt in die
richtige
Position zu bringen. Dafür nimmt die gross gewachsene
Tschechin
(1.82m) die sinnvollerweise einen auf Zugwegs-Optimierung basierenden
Stil pflegt, die entstehenden Bremseffekte und eine suboptimale
Beschleunigungsmöglichkeit in Kauf. |
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Hoher
Vorbereitungshupf: sprunghaft
druckvolle Anlaufvariante
Es gibt Werfer, die
drücken insbesondere beim 7-letzten
Schritt enorm hoch ab, um dann bei den letzten 5 Schritten eine nach
vorn-unten gerichtete Kraftrichtung zu haben. Da man sich dadurch aber
beim 6-letzten Schritt sein vorheriges Anlauftempo etwas abbremsen
wird, nehmen Vertreter dieser Variante billigend in Kauf, da die
Vorteile durch das Verbessern des Rhythmus auf den letzten Schritten
überwiegt. Kimmo Kinnunen oder Osleidy Menéndez
machten
diesen Hupf beispielsweise. Dies kann als
"Tick" auch unfreiwillig eingeübt werden. |
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Und Mischformen komplettieren die Individualität
Beispiele:
- Tiefe schnelle Beinarbeit (finnisch): Ruuskanen, Pitkämäki, Dunderdale
- Normale, klassische Beinarbeit: Värnik, Pyatnytsya
- Eher langsame Beinarbeit: Alafrantti, Martinez (im Vid ab
1:43min), Räty
- Kurzanlauf: Osleidys Menéndez warf 2005
Weltrekord aus 11er-Anlauf |
3c)
Varianten der Hüfthöhe
Der
Entscheid, ob aus hoher oder abgesenkter
Hüfthöhe angelaufen soll, wird von der
gewählten
nachfolgenden Stemmschrittmethode (vgl. Pt. 7) bestimmt. Man kann mit
leicht
abgesenkter oder mit hoher Hüfte anlaufen! Jede der beiden
Varianten ist weltklassetauglich. Keine ist richtig - keine ist falsch.
Sie folgen einfach einem anderen Prinzip. Welches man wählt,
sollte man idealerweise anhand des Athletenprofils bestimmen.
Variante mit leicht abgesenkter Hüfte
Dies ist die neuere
Techniklösung, die erst mit Aufkommen der Ballensetztechnik
beim Druckbeinaufsatz aufkam (Beispiel: Tero Pitkämäki
oder Viteszlav Vesely). Einige Trainer
"alter Schule" kennen somit diese Variante allenfalls
wenig bis gar nicht und beurteilen sie dementsprechent kauzig.
Sowohl in
Waldkraiburg wie auch in Finnland lernen die meisten fortgeschrittenen
Athleten eine Anlaufposition mit leicht abgesenkter Hüfte.
Leitend
ist hier das Bestreben, den Körperschwerpunkt vom Anlauf bis
zum
Abwurf ruhig und immer
auf
derselben Höhe halten und so Bremsverluste durch
Auf-und-Ab-Bewegungen möglichst zu minieren. Die
Hüftsenkung muss sein, um den danach folgenden
Stemmschritt-Beginn
auf dem rechten Fuss auf dem Fussballen ausführen zu
können. Ziel davon wiederum ist ein schneller und
bremsverlustfreies Übertragen der Anlaufgeschwindigkeit zum
Stemmbein.
So kommt es dann
anschliessend auch beim Impulsschritt zu minimeren Änderungen
des
Kraftvektors der Anlaufgeschwindigkeit. Ein gewichtiges Argument ist,
dass die Hüfte so besser und länger
zurückgehalten
werden kann. Doch es gibt noch weitere Vorteile: Das Beschleunigen zum
Impulsschritt kann durch die grössere Unterstützung
durch
Kniestreckbewegungen besser erfolgen. Das Treffen des Impulsschritts
wird so in vielen Fällen besser gelingen. Die Voraussetzungen
für
eine effiziente Druckbeinarbeit sind im Falle einer
Stemmschritt-Technik mit Druckbein-Rotation (Eindrehen) so definitiv
idealer. Positive Effekte hat es zudem auf die Zeit des Stemmschritts
wie auch die Schrittlänge. Diese Variante ist wohl etwas
schwieriger zu erlernen und erfordert wegen dem frontaleren
Kraftrichtungsvektor des Stemmbeins auch grössere
Kraftvoraussetzungen, aber bringt versierten Athleten mit
Eindreh-Technik nur Vorteile.
Auf meine Nachftage an der 2nd World Javelin Conference
befürworten die massgeblichsten drei finnischen
Trainer-Koriphäen diese Lösung als Erst-Technik: Kari
Ihalainen (aktueller Nationalcoach), Esa Utriainen
(ehemaliger
Finnischer und Englischer Nationalcoach) sowie Hannu Kangas
(ehemaliger
Nationalcoach, Trainer Pitkämäki). Aber auch
führende US-Coaches wie Duncan
Atwood
zeigen in ihren Lehr-Videos
(z.B. in "Javelin throw in 5 minutes", bei 7:11min) einen
Anlauf mit abgesenkter Hüfte. |
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Variante mit hoher
Hüfte
Dies ist bei einem
frontalen Setzen des Druckbeinfusses im Stemmschritt oder bei
"Soft-Step-Varianten" eine effizientere Vorbereitung, weil dadurch die
Geschwindigkeit vom Impulsschritt zum Stemmschritt direkter
weitergeleitet werden kann. Es kommt dadurch nämlich zu einer
Verminderung der Nachteile der Rücklage, die oft mit dieser
Technik einhergeht. Manche Vertreter
dieser Variante geben ausserdem noch bessere "Sprint-Eigenschaften" des
Anlaufens mit hoher Hüfte an. Es verhalte sich genauso wie
beim Sprint: hohe Hüfte gleich bessere Tempo-Voraussetzungen.
In Kombination mit der Softstep-Technik
im anschliessenden Stemmschritt
ist das hohe Führen der Hüfte bereits seit Backleys
Zeiten
eine bewährte Lösung. Vertreter
hoher Hüfte sind "Englisch-Techniker" die der Schule von
Backley-Trainer John
Trower folgen, wie etwa Mick
Hill (im Bild mit
Mehrkämpferin Ennis) aber auch Finnen wie Peteri Piironen oder
Aki
Parviainen.
ABER Anlaufen mit hoher Hüfte ist keine
universelle oder allein
gültige oder alternativlose Variante! Wer im Anlauf eher auf
den
letzten Schritten zum Impulsschritt stark beschleunigen will oder wem
die Druckbeintechnik mit Ballenaufsatz am meisten bringt, der muss
definitiv anders anlaufen. Dem oben erwähnten Sprint-Vergleich
hielt der renomierte Speertrainer Esa Utriainen in einem
Gespräch mit mir 2012 mal entgegen: "mit
hoher Hüfte kannst du wohl schnelles Tempo besser HALTEN.
Aber wer schnell BESCHLEUNIGEN will, der muss das eher wie eine
Raubkatze im tiefen Gras anschleichend und dann stossend/streckend tun.
Und Sprinter
starten ja schliesslich auch aus dem Tiefstart um zu Beschleunigen."
Treffender kann mans nicht beschreiben.
Ich stellte in mehreren Fällen fest: sehr oft haben die
Befürworter dieser Technikvariante grosse Mühe, die
Funktionsweise der Variante mit abgesenkter Hüfte und dem
späteren Ballenaufsatz beim Druckbein zu verstehen oder als
Alternative zu ihrer Technik zu akzeptieren - Praxisbeweis durch
Spitzenwerfer wie Vesely, Wirkkala und Pitkämäki hin
oder
her. Die Offenheit für die Variante mit gesenkter
Hüfte
und Druckbein-Ballenaufsatz scheint gerade bei Trower-Jüngern
(im
Gegensatz zum Meister selber!) seltsam beschränkt...selbst
bei Spitzentrainern. Löbliche Ausnahme in meinen
Gesprächen
war bisher nur Parviainen, der die ganze Sache sehr pragmatisch sieht.
Dabei ist die Zielsetzung in dieser Phase GENAU dieselbe, nur der Weg
ist anderer: das Anlauftempo direkt und ohne Richtungswechsel oder
Bremsverlust zum Stemmbein weiterleiten. |
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3d)
Varianten der Oberkörper- und Armhaltung
Variante mit Spitze geradeaus in Wurfrichtung (Normaltechnik)
Normalerweise wird versucht, mit der Speerspitze immer nach vorne in
Wurfrichtung gerichtet zu bleiben, um mögliche
Abwurfverkantungen und dadurch folgende Weitenverluste zu vermeiden.
Für die meisten Werfer ist diese Variante anzustreben.
Variante mit starker Verwringung:
Einige Athleten wie drehen Oberkörper und Speer ziemlich stark
ab. Miklos Nemèth war einer der ersten, später Jan
Zelezny und heute sind es beispielsweise Mattias de Zordo oder Ari Mannio, die so werfen.
Je mehr man sich abdreht, desto schwieriger ist es den Speer
anschliessend wieder in einer geraden Bahn nach vorne wegzuwerfen ohne
dass das Gerät von dieser Körperrotation negativ
beeinflusst wird. Es ist eine Technik, die nur Werfer
ausführen können, die eine spezielle
Schulterbeweglichkeit haben und deren Abwurf eher etwas "aussenrum"
geführt und anschliessend mit einem vergrösserten
Verkantungswinkel abgegeben wird. Wer dieses "Kunststück"
dennoch schafft, profitiert von einem verlängerten Zugweg. |
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4. Setzen zum Impulsschritt
Das Setzen zum Impulsschritt sollte aktiv und nahe
am Körper mit greifendem Fussaufsatz erfolgen. Ein Setzen weit
vor dem Körper bewirkt ein unzweckmässiges
"Ausbremsen" (ähnlich wie beim Sprint) und ist eine Ursache
für eine starke Körperrücklage beim Setzen
des Druckbeins (Bartonietz, 2004).
Ein etwas kürzerer Schritt zum Impulsschritt
ermöglicht, den
Impulsschritt schön flach und körpernah
auszuführen.
Zu stark vor dem Körper aufgesetzt ergeben sich
häufig Bremswirkungen und insbesondere eine zu stark vertikal
gerichtete Umlenkung des Bewegungswegs; insbesondere wenn man noch -wie
beispielsweise in der französischen Literatur oft gefordert-
eine betonte Schwungbewegung mit rechts ausführt
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Ziehender Fussaufsatz
Nur noch selten gesehen (Gründe siehe oben): mit eher
frontalem
Zugfuss, deutlich vor dem Körper aufgesetzter, lang gezogener
Impulsschritt um anschliessend in eine grosse
Körperrücklage
zu kommen (Maximierung eines langen Zugwegs). Nachteil ist die
Bremswirkung des linken Fusses und die anschliessend
ungünstigere
Beinposition, woraus fast nur lange Stembein-Kontaktzeiten resultieren
können.
Fazit: Für (eher schwere) Kraftwerfer der alten Schule (z.B. Paragi) |
Greifender Fussaufsatz
Seit mehreren Jahren die weitverbreitetste Variante: mit dem ganzen
Fuss oder dem Ballen vor dem Körper und eher seitlich
aufgesetzter Impulsschritt. Der Oberkörper hat meist eine
leichte Rücklage.
Da auch hier eine anschliessende Vergrösserung der
Rücklage gewollt (aber schwierig im perfekten Treffen) ist,
ergibt sich hier je nach Perfektionsgrad fast immer eine leichte
Bremsbewegung durch den Aufwärts-Hub und die nachfolgende
Landung.
Fazit: die von den allermeisten Werfern angewandte Variante |
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Kick
Reach Step (oder: X-Step)
Einige
Werfer versuchen mit einem spreizend springenden Schritt zum
Impulsschritt die Voraussetzungen für eine
zusätzliche letzte
Beschleunigung des Impulsschritts zusätzlich zu verbessern. Je
nachdem wie gut die Oberkörperposition ist, kann dies in der
Tat
auch gelingen. Andreas Thorkildsen macht dies beispielsweise. Ein
erläuterndes Video von Duncan Atwood hierzu. |
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5. Impulsschritt
Für mich
ist beim Impulsschritt wichtig, dass möglichst wenig
Anlaufenergie verloren geht und der Athlet bestmöglich in eine
für ihn optimale Position für die nachfolgende
Druckbeinarbeit und den Stemmschritt kommt.
In diesem Bewegungsabschnitt bestehen grosse Unterschiede zwischen
verschiedenen Techniken / Wurflösungen. Es geht hier um den
ersten Übergang vom Anlauf zum Abwurf. Der Körper
soll dabei in eine möglichst optimale Position für
die nachfolgende, abschliessende Abwurfphase -die mit dem Stemmschritt
beginnt- gebracht werden. Je nach Techniklösung ist diese
Position aber sehr unterschiedlich. Es gibt sogar Athleten, bei denen
fast gar kein Impulsschritt festzustellen ist (bsp. bei 6:11min in diesem Video), aber diese
nützen ihre Möglichkeiten selten voll aus.
a) Normaler Impulsschritt
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"Der
Impulsschritt soll flach, mit aktivem Adruck ausgeführt
werden.
Ein aktives, greifendes Setzen des Fusses zum Impulssschritt mit der
gesamten Fusssohle (nicht mit der Ferse) ermöglicht eine kurze
Abdruckdauer, einen geringen Geschwindigkeitsverlust und eine flache
Körperschwerpunkt-Bahn während der Flugphase. Die
Gestaltung
wird massgeblich durch den Einsatz des Schwungbeins bestimmt.
Während des Abdrucks links ist ein impulshafter Einsatz des
Schwungbeins mit geringer Amplitude flach nach vorn zu fordern."
(aus: RTP DLV)
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Das linke Bein ist das aktive Bein
bei der Impulsschritt-Bewegung! Hier, zum Schluss der Anlaufphase
versucht man, noch eine letzte kleine Temposteigerung zu erreichen.
Dies gelingt durch einen aktiven nach hinten-unten gerichteten Beinzug,
mit dem Anfänger oft noch etwas Mühe haben.
Stattdessen erschummeln sich Debütanten mit einem einfacher zu
bewerkstelligenden Raufreissen des rechten Beins eine vermeindliche
Bein-Aktivität im Impulsschritt. Das rechte Bein ist das passivere
Bein bei der Impulsschritt-Bewegung. Man soll mit dem rechten Knie
einfach das linke kurz etwas überholen und dann sofort und mit
offenem Winkel wieder nach hinten, um für den Stemmschritt
parat zu sein.
"Es
ist das KNIE, das die Arbeit des Beins steuert; nicht der Fuss" -
Reinhold Paull
"Du solltest beim
Impulsschritt Licht zwischen den Beinen durchscheinen sehen" - Terry
McHugh
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b) Finnischer Impulsschritt
"Do
active crossovers, keep it low, but do not swing it too far" - Hannu
Kangas
In
Finnland ist das flach bleiben der Hüftlinie einer der
zentralsten
Punkte von deren Technikphilosophie. Ein guter Beschrieb der
Rotationstechnik von . Dies zeigt sich insbesondere auch
beim Impulsschritt als einer der Schlüsselstellen.
Das
rechte Bein bleibt beim Überholen tief und winkelt im Knie
kaum
an. Während der Flugphase überholt das rechte Knie
das linke
ein wenig. Der Unterschenkel zeigt immer nach unten. In der Luft soll
der Druckfuss nach vorne drehen und mit etwa 45 Grad (individuell; je
nach Beweglichkeit) zur Seite gerichtet landen. Im Moment der
Druckbein-Landung muss das Stemmbein wieder vor dem Druckbein sein!
Um den Körperschwerpunkt tief zu halten darf man
natürlich im rechten Knie weder zu sehr raufreissen noch
anwinkeln. Und auf der anderen Seite soll man mit dem linken Bein nicht
zu sehr nach oben abdrücken, sondern "durch den Boden
durchziehen", um Impuls horizontal nach vorne zu gewinnen. Dies wie im
Punkt vorher beschrieben wird bereits im Schritt zum Impulsschritt
massgeblich vorgespurt. Der Unterschenkel darf nicht vorpendeln - er
bleibt mit der Ferse unter dem Knie.
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b) Impulsschritt ohne Knie-Überholen
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Ein
anderer Ansatz geht dahin, dass man im Impulsschritt mit dem
Druckbeinknie das Zugbeinknie kaum oder gar nicht überholt, um
für den nachfolgenden Stemmschritt eine noch extremere
Verschnellerung zu erzielen. Nachdem der Impulsschrittfuss bis leicht
hinters Körperschwerpunkt-Lot gezogen wurde, wird der linke
Fuss /
das linke Bein bereits wieder nach vorn gebracht und man ist dann beim
Druckfuss-Aufsatz mit dem Stemmbein schon viel weiter vorne als mit der
konventionellen Technik. Damit dieser verkürzte
Impulsschritt-Zugweg kompensiert werden kann, muss bei dieser Variante
vorher mit einer umso höheren Geschwindigkeit angelaufen
werden.
Diese Variante kann als technisch besonders schwierig bezeichnet
werden, da sie sehr hohe Anforderungen ans genaue "Treffen" der
nachfolgenden Arbeits-Zeitpunkte stellt. Mit dem resultierenden sehr
kurzen Stemmschritt-Zeitmuster für den Spannungsaufbau ist man
schnell überfordert und mit dem Oberkörper
fällt man
schnell einmal zu stark nach vorne, öffnet mit der linken
Körperseite zu früh oder leitet den Armzug vorzeitig
ein.
Protagonist Tero Järvenpää realisierte mit
dieser Variante wohl weltweit eine der kürzesten
Stemmschritt-Zeiten. Auch Trine Hattestad vollzog diese
Impulsschritt-Variante und heute Katharina Molitor. |
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c) Hoch ausgeführter Impulsschritt (Französischer
Impulsschritt)
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Manche AthletInnen
ziehen den Impulsschritt eher hoch. Das heisst, sie ziehen das rechte
Bein stärker nach oben und drücken mit dem
Impulsschritt auch entsprechend etwas mehr in die Höhe ab. Zu
dieser Technik kommt man unfreiwillig auch oft, wenn man -wie
mancherorts gefordert- mit dem rechten Bein einen sehr aktiven
schwunghaften Impuls macht.
Damit gewinnt man beim Impulsschritt unmittelbar nach dem Verlassen des
Bodens in der Luft vielleicht etwas Zeit, um das linke Bein wieder
etwas einfacher in eine günstige Position zu bringen. Manche
glauben auch, dass so später mit dem Druckbein aktiver und
schneller gearbeitet werden kann (z.B. Garry Calvert). Früher
vollzogen Heli Rantanen und heute Goldie Sayers diesen Hupfer.
Der französische Verbandstrainer Jacques Danail
erklärte mir, sie versuchten hierbei das Druckbeinsetzen wie
beim
Hürdenlaufen zu setzen, also nach hinten wegdrückend
weiterarbeitend. Diese
Variante birgt meiner Meinung nach ein grosses Risiko, beim
Druckbeinsetzen einen Bremseffekt zu provozieren. |
d) Überlaufener Impulsschritt
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Es
gibt Athleten, die den Impulsschritt quasi überlaufen und
durch
die so resultierende Beinposition viel Stemmschritt-Tempo erzielen
können. Andrus Värnik
aus Estland (oder auch die Australierin Kimbery Mickle bis 2012) wirft so.
Värnik läuft mit druckvollen, eher hoch und
nicht allzu schnell ausgeführten Schritten an, drückt
beim
zweitletzten Schritt normal ab und schafft es mit einem sehr sauberen
Softstep in eine für ihn günstige Abwurfposition zu
kommen.
Es ist bis zum Stemmschritt kein azyklischer Schrittrhythmus
auszumachen.
Auch diese Variante ist definitiv nicht als Technik für
jedermann
geeignet, denn die Bein- und Fusstechnik insbesondere auf der rechten
Seite muss absolute Weltklasse sein, um der Gefahr von Bremswirkungen
nicht zu erliegen.
Randnotiz: Der grosse französische Speerwurftrainer Thierry
Lichtle, den ich bei meinem Besuch 2013 in Tanhuvaara kennenlernte,
schwärmt von Värnik in den höchsten
Tönen. |
e)
"Null-Impuls-Schritt"
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Die in den
1970er-Jahren dominierende DDR-Speerwerferin und zweifache
Olympiasiegerin Ruth Fuchs
praktizierte die letzten Anlaufschritte ohne wirklichen Impulsschritt.
Sie maximierte stattdessen mit viel Rücklage den Zugweg und
holte
primär daraus die Beschleunigung anstatt unter effizienter
Mitnahme von Anlaufgeschwindigkeit.
Heute ist dies nur noch selten zu beobachten. An der EM 2014 warf der
Lette Strobinders so.
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f) Impuls
in die Frontale
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Die
ebenfalls aus der DDR stammende OS-Bronzemedaillengewinnerin von 1992 Karen Forkel (im Vid ab 7:18min)
schwang die Beine fast gestreckt sehr weit nach vorn und landete so in
einer grossen Rücklage.
Auch diese Variante kann seit der Änderung auf das neue
Speermodell wohl als nicht mehr weltklassetauglich verabschiedet werden.
Einen verwandten Stil hatte Mirella Manjani.
Auch sie warf die Beine frontal nach vorn, aber landete viel
aufrechter, arbeitete mit dem Druckbein dynamischer und erzielte so
einen sehr schnellen Stemmschritt. So konnte die in der Schulter extrem
bewegliche Griechin auch das Speermodell 1999 erfolgreich werfen und
wurde damit in Sevilla die erste Weltmeisterin. |
g) Weitere Varianten
Man entdeckt immer
noch neue Ideen, aber selten überzeugte irgendeine dieser
Ausführungen bisher. Anlässlich der U18-WM in Lille
zeigten Werfer aus Afrika und Asien teilweise sehr kreative, wenn auch
nicht in jedem Fall effiziente Lösungen.
Schaut euch in diesem Video die Werfer bei
3:33min und den bei 5:10min mal genauer an... |
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Das Fussgelenk dreht nach vorn!
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Das Fussgelenk dreht
in der Luft bei allen guten Werfern irgendwann nach vorne. So kann nach
die Fuss- und Hüftarbeit in der nachfolgenden Druckbeinarbeit
dann auch aktiv passieren. Es ist also ein (wichtiges!) Vorspuren der
nächsten Phase.
Ob dies wie bei Tero bereits mit dem Abdruck passiert oder erst
später wie bei Andreas, das ist individuell. Als Trainer
müssen wir schauen, was mit Knie und Hüfte passiert
und ob das für die persönliche Technik dann
günstigere Voraussetzungen schafft.
Jan Zelezny meinte anlässlich der World Javelin Conference
2012,
er persönlich instruiere es seinen Athleten normalerweise so
wie Thorkildsen - aber er versuche es
mit seinem neuen Schützling Tero jetzt sicher nicht
umzugewöhnen. |
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B. Der Abwurf |
6. Landung zum Druckbein setzen
Früher warf man mit viel mehr Rücklage! In der
Abbildung unten zeigt sich aber deutlich die Tendenz, dass neuere
Techniklösungen eine aufrechtere Oberkörperhaltung
beim Setzen des Druckbeins verlangen. Je nach individueller
Anlaufdynamik und Beweglichkeit soll die auf die Voraussetzungen /
Stärken des Athleten ideale Variante ausgewählt
werden.
Generell
bedeutet mehr Rücklage zwar einen längeren Zugweg,
aber auch
Bremswirkung für die Horizontalgeschwindigkeit und hat ein
vorzeitiges Öffnen des Oberkörpers (Verlust von
Spannung und
Zugweg) zur Folge.
Es hat vielleicht auch mit der Änderung des
Geräte-Schwerpunktes (1986 resp. 1999) zu tun, dass die Speere
heute etwas flacher abgeworfen werden, als in früheren Zeiten
und diese Winkel mit einer Optimierung (Erhöhung) der
Anlaufgeschwindigkeit besser zu realisieren sind.
Deutsche Lehrmeinung: Idealerweise
befindet sich die die linke Schulter wie im Bild oben bei Hecht
über dem (rechten) Druckbeinfuss. Der linke Fuss ist in diesem
Moment deutlich vor diesem, wenn die Scherbewegung aktiv
ausgeführt wurde (mit schlagender Bewegung des rechten
Utnerschenkels nach vorn mit geringer Amplitude und minimalem Kniehub)
und wenn beim Lösen zum Impulsschritt "Spannung" auf den
linken
Hüftbeugern war (Bartonietz, 2004).
Hannu Kangas Meinung: Je nach
Fähigkeiten des Werfers, mit der Druckbeinferse im Zeitpunkt
des Stemmschritt-Aufsatzes rechts hoch zu bleiben kann die Variante mit
Lot über der rechten oder der linken Schulter gewählt
werden. |
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7.
Stemmschritt
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So
wenig wie möglich abbremsen und wenn die Hüft den
Stützpunkt passiert hat: schiebend (+ je nach Variante:
drehend) |
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Auch hier bestehen
mehrere hochleistungs-taugliche Varianten; nachstehend sechs davon |
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Gemeinsam ist ihnen,
dass der Oberkörper beim Stemmfussaufsatz noch "zu" bleiben
soll (Schulterachse in Wurfrichtung) |
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Garry Calvert
beschreibt in
seinem Artikel wie ein dynamischer Stemmschritt mit
Rotationstechnik zusammenhängt |
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Heute werden im
Spitzenbereich eher Varianten 1+2 bevorzugt (vgl. WM 2011); früher
eher 3+4 (vgl. OS 1980) |
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Ein
Druckbein-Fussaufsatz zur Seite mit über 90° zur
Wurfrichtung ist als falsch zu bezeichnen |
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Schöne
Slow-Motion Vids verschiedener Stemmschritt-Setzvarianten: Video 1 ¦ Video 2 |
Variante 1: Ballenaufsatz-Technik mit
Hüftdrehung
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- über
Ballen mit 45° oder frontaler aufgesetzt
- Hüfte ist bei DB-Aufsatz noch ausgedreht
- Fuss/Knie drehen nach vorn
- Vorteil: Rotations-Muskelkette rekrutierbar
- Nachteil: erfordert Kraft in Waden; muss geübt werden
- Beispiele: Vesely, Wirkkala, Thorkildsen, Järvenpää,
Wöschler (RB), Häber, Nathalie Meier bis 2013 |
Bei
dieser Variante, welche in den meisten Ländern mittlerweilen
die
Standart-Lehrtechnik ist (ausser vielleicht der Schweiz), wird der Fuss des Druckbeins mit
45° zur Wurfrichtung oder frontaler AUF DEM BALLEN aufgesetzt. Und vom
Fussaufsatz rechts bis zum Stemmfussaufsatz bleibt man immer auf dem Fussballen
- die rechte
Ferse soll den Boden nie ganz berühren. Das Knie soll nach
vorne
unten gerichtet sein BEVOR der Stemmfuss runterklappt. Nur so ist
es möglich, durch eine (des Tempos wegen
unwillkürliche!)
Hüft-Rotation die Freisetzungs-Kette der potenziellen Energie
(Verwringungs-Spannung) optimal auszuschöpfen.
In
der Schweiz leider viel zu wenig angewandt.
Dies ist die empfohlene Variante
im DLV Rahmenplan Wurf (ebd: Technikmodell Speer, S.145). Dies
wäre auch unserer Meinung nach die primär zu
erlernende Variante mit gemeinhin am wenigsten Risiken und
Nachteilen, aller sechs
Varianten. |
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Variante
2: Sohlen-Technik
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-
über ganze Sohle aufgesetzt
- Hüfte seitlich ausgerichtet beim Setzen
- sehr aktives anschliessendes Heben der Ferse
- Vorteil: Individuell besseres Setzgefühl, Kontrolle
- Nachteil: Schwierige Fersenhebebewegung
- Beispiel: Tero Pitkämäki Vid 1
¦ Vid
2 oder auch Päivi Alafrantti |
Dies
ist eine sehr individuelle Variante von Tero
Pitkämäki. Damit
kann er insbesondere die Amortisationsphase kontrolliert, aber doch
kurz halten und die sehr individuelle Bein-/Knie-Drehbewegung zum
Impulsschritt ebenfalls kurz behalten und so viel potenzielle
Spannungsenergie des Oberkörpers behalten. Kurz: damit kann
Tero
viel Anlauftempo kontrollieren und umsetzen. Diese Technik muss als
sehr individuell und eher schwierig zu erlernen bezeichnet werden. Aber
sie vereint die positiven Elemente eines Hardsteps, ohne dessen
Nachteile (bremsen/öffnen/Spannungsverlust) einzugehen.
Kreativ! |
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Variante 3: Frontalsetz Technik
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- über die
Sohle frontal in Wurfrichtung aufgesetzt
- Hüfte ist von Anfang an frontal ausgerichtet
- Knie rechts aktiv nach vorn unten drücken
- Vorteil: keine Hüftdrehung, samt deren Risiken
- Nachteil: mehr Stemmkraft und Drehbeweglichkeit nötig
- Bsp: Nerius, Zahndt (RB),
Rittweg, Maniani-Tzelili (extrem) |
Bei der (vor allem
von deutschen Frauen gewählten) Frontal-Technik-Variante ist
angestrebt, das Gewicht lange auf dem rechten Bein zu behalten, bevor
der Wurf über das Stemmbein gezogen wird. Der Abwurf wird
durch eine aktive (gerade) Oberkörper-Neigebewegung nach vorn
unterstützt. Dadurch das keine Hüftdrehung
nötig ist, übergeht man die anspruchsvolle
Technikschulung derselben und man erhofft sich Vorteile durch ein
gerades Weiterarbeiten des rechten Fusses weniger Tempoverlust. Sie
erfordert aber ein klar höheres Stemmbeinkraft-Niveau und eine
sehr gute Oberkörper-Verwringungsfähigkeit. |
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Variante 4: Soft Step Technik
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- über
Ballen >> Grosszehen ballen "passiv" seitlich abrollen
- Hüfte ist bei DB-Aufsatz zur Seite gedreht
- "Tilt" beim Druckbein-Aufsatz (Pfeil); Rotationsbremse
- Nachteil: Impulsweitergabe in Hüfte weniger effektiv
- Tidow hat über
diese Variante geschrieben
- Beispiele: Ruuskanen, Wolfermann, Whitbread, Pedersen (RB), Tafelmeier, Avramenko, Sanderson |
Harnes beschreibt in der LdLA
1973 "Die Qualität des Abwurfs hängt in
grossem Mass von
der Körperstellung im Moment der Landung auf dem rechten Bein
ab. In
dieser zurückgelehnten Stellung ist es wichtig, dass das
rechte Bein
nicht gegenstemmt, sondern in der ersten Phase nachgibt und
nachschiebt, wenn die Hüfte den Stützpunkt passiert
hat." Die Senkung
des Schwerpunkts wird deshalb als Soft
Step bezeichnet.
Befürworter des Soft Step wie Jeff Gorski (der einen massgeblichen
Artikel hierüber verfasst hat) führen an,
dass so die Bremskräfte aufs
Druckbein minimiert werden und die Kraftrichtung (v0) direkt aufs
Stemmbein geleitet wird (u.a. auch Ihalainen). Die Technik ist
aber als
besonders veranlagungsabhängig zu bezeichnen, weil das Treffen
des
Druckfuss-Punktes bei der Landung nach dem Impulsschritt sowohl
von der Körperneigung plus Beinposition plus Fussposition her
wie
auch vom Zeitpunkt her ganz genau
stimmen müssen. Die Fehlerquote
ist entsprechend hoch
und es
entsteht sehr rasch ein ineffizienter und mühsam zu
korrigierender "Hard Step" (siehe unten). Nicht
zu unterschätzen sind zudem die markant schlechter
kontrollierbaren
Kräfte, die so aufs Stemmbein einwirken.
Der
Biomechaniker Tidow beurteilte in
seinem vielleicht meistbeachteten Artikel den Soft-Step eher
skeptisch
wegen dem Verlust des
Sohlenkontaktes, welcher die Impulsweitergabe der wurfarm-seitigen
Verwringungs-Energie geringer weitergeben kann.
Von
den konditionellen Anforderungen her ist eine ausserordentlich
gut
ausgeprägte Bauchmuskulatur zum Auffangen des Schlages im
Rücken nötig. Und man sollte definitiv keine
Hohlkreuz-Neigung (Hyperlordose) als Veranlagung haben, wenn man sich
für diese Stemmschritt-Technik entscheidet. Auffällig
aber
nicht verwunderlich ist die grosse Zahl der mit langwierigen
Rückenproblemen kämpfenden schweizer
Softstep-WerferInnen. Deshalb ist dies
sicher keine
Anfängertechnik und definitiv nicht für
Jüngere geeignet.
Aber
diese
Variante wurde und wird berechtigterweise von vielen Spitzenwerfern
angewandt! Für
Athleten die die oben beschriebenen Aspekte nicht betrifft, bietet der
Soft-Step
durchaus eine akkurate Lösung zur Technikoptimierung.
Und
selbst Olympiamedaillen wurden damit erzielt (Wolfermann, 1972). Fatima
Whitbread beurteilte später ihre eigene Fussarbeit
mit dieser Technik als suboptimal.
Ich persönlich betrachte den Softstep als Spitzentechnik, auf
die
bei entsprechender Veranlagung durchaus umgestellt werden kann und
absolut gleichberechtigt und weltrekordtauglich ist. Aber Soft-Step ist
sicher keine Basistechnik,
wie
sie in der Schweiz von einigen Trainern verkauft wird.
Anfangen
sollte man mit einer Technik, wo beide Füsse auf dem Boden
stehen. |
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Variante
5: Hard Step - keine Variante, lediglich ein falsch
ausgeführter Soft-Step (häufiger Fehler)
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Eine technisch
schlecht ausgeführte Soft Step Technik kann man plausibel als
Hard
Step betiteln. Kennzeichnend
ist ein ausgeprägter Anti-Rhythmus Jamta----taam. Man
hört
und sieht einen im zeitlichen Vergleich überlange dauernden
Stemmschritt.
Der unterschiedliche Rhythmus ist das
Unterscheidungsmerkmal zum Softstep: Jam-Tatam =
Softstep / Jamta---taam = Hard Step.
Der Unterschied ist verursacht durch den weiter vor dem Körper
aufgesetzten und oft mit ausgependeltem Unterschenkel vorauseilenden
Druckbein-Aufsatz. Durch die dadurch verursachte viel längere
Druckbein-Setzzeit und -Setzweg hauptsächlich vor dem
Körper,
erfolgt beim darauffolgenden Setzen rechts ein deutliches Abbremsen des
Anlauftempos
und es entsteht die typische Rhythmuspause ("Tilt"). In den
Stemmschritt auf links fällt man danach regelrecht
hinein,
unkontrolliert.
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- rechts passiv auf
die Ferse runter plumpsen
- im Knie erst nachgeben, zur Seite knien, dann fallen lassen
- keine aktive Fussdrehung, sondern seitliches ab-und-umlegen
- ist folglich schlicht ein "ins Stemmbein reinfallen"
-
"es" dreht in Knie-und-Hüft erst mit oder (noch schlimmer)
nach Stemmfussaufsatz
- Stemmschritt-Rhythmus: über-lang
- Rhythmus: statt Jam-Tatam ists hier Jamta----Taaam
- Vorteil: muss nicht erlernt werden; einfach "fallen lassen"
- Nachteile: Bremswirkung + Verwringungsenergie wird stark
vermindert weitergeleitet + zu frühes Oberkörper
öffnen
wahrscheinlicher + erhöhte Verletzungsgefahr des Knies der
Druckbeinseite sowie des Patellarsehnenansatzes auf der Stemmbeinseite
und ganz besonders des Rückens.
- Bsp: Hermann, Sormunen,
Tarabin
In
der Schweiz hält sich diese Variante leider äusserst
hartnäckig. Sie entspricht
jedoch nicht
den
im schweizer J+S-Ausbildungsmaterial definierten Kernelementen
"Rhythmus Jam-tatam" sowie "Wurfauslage mit Gewicht über
Druckbein+gestrecktes Stemmbein".
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Variante 6: Fersen-Technik
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- rechts
über die Ferse setzend
- Hüfte eher schon etwas eingedreht
- Knie nach vorn unten drehen / drücken
- Vorteil: eher einfach bezgl. Technik und Kraftvoraussetzungen
- Vorteil: etwas mehr Zeit für Druckbeinarbeit/-kontrolle
- Nachteil: starker Tempoverlust, erhöhte
Verletzungsgefahr
- Bsp Ferse: McHugh (Bild), Iordan, Abakumova, Räty, Paragi |
Terry
McHugh (84m-Werfer) sagt hierzu, das er selber beim Druckbeinaufsatz
über die Ferse abgerollt hat und deshalb später
langwierige
Fersenverletzungen zu kurieren hatte. Er würde es heute
niemandem
mehr so beibringen, sondern instruiert heute explizit Varianten
OHNE Fersenkontakt. Er unterrichtet die Technik bei seinen
Athleten strikt im Stile von Trower/Backley. |
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Exkurs: zur Rolle
des Hüfte eindrehens
Gerade in der
Schweiz sehe ich immer wieder Athleten und Trainer, die sich mit viel
Zeit dem Eindrehen der Hüfte widmen. Wie oft höre ich
"bring die Hüft nach vorn" / "Hüfte spannen" /
"zuerst die Hüfte" / Hüfte hier und Hüfte
da. Am tollsten sind ja diejenigen Protagonisten, die den Druckbeinfuss
noch zur Seite ablegen und dann so 10x hintereinander eindrehen.
Nirgends auf der Welt wird so ein Brimborium um diesen Punkt gemacht
wie bei uns in der Schweiz!
Ich möchte hierzu zunächst anmerken, dass die
Stemmphase mit
ca. 0.2sec eine sehr kurze Zeit ist. Zu kurz, um mit einer
willkürlichen Hüftbewegung auslösend bis zum
Wurfarm
wirken zu können. Es gibt daher ein nicht weg zu
diskutierendes,
weil biomechanisch einwandfrei
feststehendes Zeitproblem.
Die Rolle der Hüfte ist schon nicht ausser Acht zu lassen!
Aber es
handelt sich dabei um ein verstärkendes
Sekundär-Element: Die
Hüfte beschleunigt innerhalb einer Bewegungskette den Impuls
lediglich weiter - sie löst ihn nicht aus. Die Rotation wird im Rahmen der
Gesamtkörper-Positionierung und der Landung und
Arbeitsrichtung des Druckbeins "geboren". Um die
Verwringung und damit auch die Spannung hinzukriegen, wird die
Trainingszeit am besten ins korrekte Erlernen der Druckfussarbeit (wo
setzen? wie setzen? wann und wie arbeiten und Gewicht verlagern?), die
Gegenarm-/Oberkörperhaltung, das richtige Vorspuren im
Impulsschritt und in das Beheben von Kraftdefiziten der
Wadenmuskulatur investiert!
Isidor
Fuchser: "Für mich sind Trainer, die nach dem gestreckten Arm
gleich das Eindrehen der Hüfte anzielen zuwenig mit der
effektiven
biomechanischen Funktionsweise des Speerwerfens vertraut.
Offensichtlich haben sie eine falsche Bewegungsvorstellung, wo und wann
die
Bewegung im Stemmschritt willkürlich noch beeinflusst werden
kann.
Hüfte
eindrehen ist keine Kernbewegung! Daher kein so
wesentlicher
Trainingsinhalt, dass man ihn besonders oft
üben müsste. Richtig
zuvor platziert kommt die Hüfte ganz von alleine richtig
und arbeitet
dynamisch. Die Hüfte ist vielmehr ein Symptom-Anzeiger
von dem was vorher weiter unten
passierte. Jedoch keine
"Bewegungsursache", kein auslösender
Ansatzpunkt, wo man als Werfender einen neuen Bewegungsimpuls
auslösen
könnte.. |
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8. Oberkörper- und
Gegenarmvarianten beim Landen des Stemmfusses
Der
Oberkörper muss bis zum Stemmfussaufsatz geschlossen bleiben,
damit die Rotationsbeweglichkeit des Oberkörpers zu den Beinen
als Beschleunigungswegs-Reserve nicht frühzeitig
aufgelöst werden soll. Heisst für mich:
bezüglich Positionierung der Schulterachse gibt es
für mich keinen Variations-Spielraum.
Als Mittel zum Zweck
dient der Gegenarm. Die Haltung und Führung des Gegenarms kann
in verschiedenen funktionierende Varianten passieren.
Variante 1: Nur Oberkörper; ohne bewusste
Gegenarm-Arbeit
Stefan Müller sagte mir einmal in einem Gespräch, auf
seine Frage an Thorkildsen nach der Rolle des Gegenarm antwortete ihm
der Norweger "darauf achte ich mich eigentlich gar nicht".
Variante 2: Bewusstes Verzögern der
Schulterachse mit dem Gegenarm
Die Umleitung von Anlaufgeschwindigkeit über den
Körper durch Spannungsbögen in den Muskulaturen
beginnt mit dem Stemmfussaufsatz. Entsprechend wichtig ist, wie der
Körper an diesem Schlüsselzeitpunkt positioniert ist.
Die Position des Unterkörpers wurde soeben beleuchtet. Nun
rücken wir den Oberkörper in den Fokus.
Wir sehen in der Bildreihe, dass der linke Arm der
Bein-/Hüftdrehung entgegenhält und so bis zum
Stemmfussaufsatz die Schulterachse abgedreht hält. Der Arm
öffnet mit dem Bodenkontakt der Stemmfuss-Spitze.
Variante 3: Gegenarm-Öffnen
Reinhold
Paul's Vorzeige-Methode ist auch auf eine sehr bewusste
Gegenarmführung gerichtet. Er vollzieht mit dem Gegenarm
während dem Stemmschritt eine Bewegung des Öffnens
bis zu einer lockeren Streckung, wobei die Schulter aber nicht
wegdreht. Somit ist man am Schluss des Öffnens etwa wieder
dort, wo der Werfer in der oberen Bildreihe in Bild Nr. 4 ist. Das
anschliessende Abwerfen ist genau gleich: Instruktions-Video |
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9. Blockieren
Oberkörper/Gegenarm
Mögliche Armhaltungen beim Block |
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In dieser Phase sind
die Gestaltungsmöglichkeiten eher begrenzt und die
physikalischen Erfordernisse ziemlich eindeutig. Der Gegenarm
gehört in dieser Phase nah und angewinkelt zum Körper.
Der Block verhindert ein Überrotieren und die Kräfte
werden übers Stemmbein geführt.
Die Gegenarmseite bildet mit dem Block ein Widerlager zu den
Zugkräften des Wurfarms und ermöglicht dem Wurfarm
erst ein effektives Beschleunigen. Es darf insbesondere bis zum
Abwurfzeitpunkt kein Ausweichen respektive Weiterrotieren des
Oberkörpers hinter die 90-Grad-Linie zur Wurfachse passieren.
Der linke Ellbogen bleibt möglichst vor der
Oberkörpermitte.
Je nach Armzug sind wie die nebenstehende Abbildung illustriert gewisse
Haltungs-Varianten des Unterarms denkbar. |
Wichtig:
» |
Wir schauen darauf,
dass beim Blockieen der Gegenarm-Ellbogen etwa rechtwinklig fixiert ist
und nach vorn gerichtet vor der Körpermitte bleibt. Eher
ungünstig ist ein offener, nach unten (oder hinten)
gestreckter Gegenarm im Moment des Blockierens. |
» |
Die linke
Hüfte soll bis zum Abwurf nach vorne gerichtet bleiben und
nicht nach links oder hinten wegrotieren. |
» |
Reinhold Paul
braucht folgendes Bild: "Stell dir vor, du hast hinter dem linken
Ellbogen beim Blockieren ein Blech und du kannst nicht weiter rotieren,
als bis 90° zur Wurfrichtung." |
Der Finne Aki
Parviainen ist ein schönes Beispiel für einen
stabilen Block
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10. Abwurf
In der finalen
Abwurfbewegung sind die Unterschiede sehr augenfällig.
Während manche Werfer in einer Linie über die
Schulter ziehen, werfen andere den Speer eher aussen rum.
Als illustrativen Vergleich möchte ich -weil diese
idealtypischen Ausprägungen verschiedener Abwürfe
noch keinen Namen haben- gerne Ähnlichkeiten mit anderen
Sportarten hinzuziehen, wo auch geworfen wird: der Cricket-Stil und der
Baseball-Stil. |
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a)
Lineartechnik - oder: der Cricket-Stil |
Ähnlich
einem Cricket-Spieler wird der Speer aus der Rückhalteposition
mit
der Spitze in Wurfrichtung in einer geraden Zuglinie, also ohne
"Diagonal-Rotation" in über den Körper
gezogen.
Es gibt sehr wenige Werfer, die wirklich schnurgerade über die
Schulter werfen. Steve Backley kam dem wohl bisher
am nächsten. Er hatte eine so radikal lange
Wurfarmverzögerung, wie ich es bis heute bei keinem anderen
Werfer mehr gesehen habe. Oder Aki
Parviainen oder Mick Hill
wären auch noch zu dieser Reihe zu
zählen. Nur dank
einer teils natürlich gegebenen, teils antrainierten
Schulter-Beweglichkeit, war es überhaupt möglich so
zu werfen.
Wenn einer dieser Werfer gegen gleichwertige Baseball-Stilwerfer einen
Ball werfen müssen, so ziehen sie den Kürzeren. Ein
Beispiel war z.B. ein solcher Vergleichswettkampf zwischen Steve
Backley und Mick Hill, welchen letzterer (schwächerer
Speerwerfer) mit ca. 5m Vorsprung für sich entschied.
Fazit: Die Lineartechnik ist die logische Wahl für Werfer, die
dem klassischen
Technik-Leitbild von Backley mit hoher Hüfte und Softstep
nacheifern. Aber das Bild des "über den Körper
drüber
werfens" ist aber für ALLE Anfänger sehr wichtig. Von
den 10
weitesten Würfen aller Zeiten wurden allerdings nur gerade
zwei von
Lineartechnikern geworfen. |
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b) Rotationstechnik
- oder: der Baseball-Stil |
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Wie
bei einem Baseball-Spieler können einige Wurfkünstler
den
Speer relativ stark aussenrum werfen -man könnte es beinahe
als
schleudern bezeichnen. Diese Variante hat den Vorteil, dass sich
aufgrund eines längeren Beschleunigungswegs rein biomechanisch
damit noch grössere Geschwindigkeiten erzielen lassen. Jedoch
birgt der Rotations-Stil den Nachteil, dass es so viel schwieriger ist,
das Gerät optimal, d.h. ohne aerodynamische Verluste einer
Verkantung (Soll: <10º) zu treffen.
Zudem ist die Verletzungsgefahr insbesondere im Ellbogenbereich hier um
ein Vielfaches grösser, wenn man zu flach wirft anstatt
über
die Schulter zu ziehen.
Und schliesslich zweifeln einige "Technik-Puritaner", ob so zu werfen
denn überhaupt noch dem reglementarisch vorgeschriebenen Wurf
über die Schulter entspricht. |
Die
meisten der heute erfolgreichsten Werfer sind eher dieser Kategorie
zuzuordnen. Ein ausgeprägtes Beispiel ist natürlich
Christina
Obergföll oder auch Barbora Spotakova. Auch Jan Zelezny,
Sergey Makarov und
Matthias De Zordo sind klassische Beispiele von Rotations-Werfern.
Früher waren all die grossen ungarischen Werfer wie
Németh
oder Paragi oder auch Tom Petranoff berühmte Rotationswerfer.
Fazit: Wohl eher nicht der Ansatz, der als unmittelbare
Einstiegsvariante geeignet wäre; ausser jemand wirft von Natur
aus
so und bringt den Speer gerade raus (gibt es selten, aber immer wieder
mal). Aber der Trend der weltbesten Werfer geht heute eindeutig in
Richtung eines Rotationsstils. |
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Nebenan zeigen zwei
Bildreihen die beiden wohl derzeit Weltbesten Speerwerferinnen
Christina Obergföll und Barbora Spotakova im Vergleich
derselben Wurfphase von hinten aufgenommen.
Ähnlichkeiten:
- der grosse Verkantungswinkel
- die massive Stemmbein-Verkantung nach links
Unterschiede:
Bild 1: Speer bei O. weiter weg vom Kopf
Bild 2: Zugbahn des Speeres bei O. weiter aussen
Bild 3: Schulterachse bei S. mehr nach vorn
Bild 4: Gerät bei O. bereits viel weiter nach rechts weg |
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Epilog : Unkonventionell und doch
erfolgreich...gerade gut WEIL sie ihren eigenen Weg gehen
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Technikpuritanern
treibt der Amerikaner Breaux Greer die Tränen
in die Augen...so kann, nein so darf man doch gar nicht so weit
werfen!!! Aber er tat es trotzdem! Mit 91.29m realisierte er die
neuntbeste Weite aller Zeiten.
Ich würde um Himmels willen niemandem raten so zu werfen,
nein!
Und seine zahlreichen Tapes auf der Wurfarmhinterseite sprechen
Bände.
Aber ich mag es, dass er konsequent seinen Weg ging und eben gerade
nicht eine Technik zu imitieren suchte, die nicht seine war. Mit einer
Schablonentechnik wäre er eingegangen - Coach Ihalainen formte
ihn
zum Osaka-Bronzemedaillengewinner. Ich schmunzle beim Gedanken, was
wohl in
Ihalainens Kopf vorging, als er Greer zum ersten Mal auf dem Platz
werfen
sah..."hmmmm, wo genau setzen wir bei diesem Chaos-Techniker nun zuerst
an?". |
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Tero Pitkämäkis
Abwurf und Auffangen wird in vielen deutschen Fachpublikationen mehr
oder weniger offensichtlich belächelt und abgewertet: zu
tiefer
Arm und ach dieser Umsprung am Schluss...das macht man doch nicht! Auch
hier meine ich: klar soll man dies nicht als Musterlösung
für
Anfänger probieren. Aber auch Technik-Schöngeister
müssen zur Kenntnis nehmen, dass Tero bereits eine sehr lange
Zeit
mit eher wenig Verletzungen im Business ist; welcher Deutsche schaffte
dies nochmals? Mit 91.53m realisierte er eine Bestweite, die nur EIN
Deutscher je übertraf (R. Hecht). Was ich mag, ist
aber die
begeisternde Wirkung auf die jungen Finnen und Speerwurflaien.
Dies
eben gerade wegen seinem spektakulären Abwurf. Er bringt
wieder
etwas Farbe, Leben, Action und Spektakel in die Arena zurück. |
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Ein Talent
im Speerwerfen wird nicht durch seine Körperproportionen
bestimmt. Mit
verlässlicher Regelmässigkeit höre ich immer
wieder schlauschwätzerische Nüchterlinge,
dass es jemand mit diesen oder jenen Körpermassen nicht bis an
die Spitze bringen kann. Ich glaube jedoch, dass Menschen mit Willen,
Engagement und kreativen Perfektionieren ihrer Stärken immer
einen Weg bis an die Spitze finden. Und die Anthropometrie-Studie
hier untermauert dies sogar wissenschaftlich. Mir kommt
dabei jeweils der auf einer wahren Geschichte basierende Film
"Seabiscuit" in den Sinn, wo ein vermeindlich ungeeignetes, kleines
Pferd plötzlich das schnellste Rennpferd von allen wird. Ein
schönes Zitat aus diesem Film "it's not in his feet - but in his heart".
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Etliche
Untersuchungen beweisen, dass die Abwurfgeschwindigkeit der mit Abstand
grösste Einflussfaktor auf die Endleistung ist. Fürs
Erzeugen
dieser Abwurfgeschwindigkeit hat die Schnellkraft (und vor allem der
Teilaspekt Schnelligkeit!) der Muskeln und die
Technik einen überwältigend grösseren
Einfluss, als die
blosse Eigenschaft eines etwas längeren Arms oder etwas mehr
Körperhöhe.
Praxisbeweis gefällig? Jorma Kinnunen mass 1.74m und warf
1969 mit
92.70m damaligen Weltrekord. Klaus Wolfermann mass 1.76m und
wurde mit
90.48m Olympiasieger 1972. Mirella Manjani-Tzelili
mass 1.64m und wurde 1999 und 2003 Weltmeisterin mit einer Bestweite
von 67.51m. Die Schweizer Rekordhalterin mit dem alten Modell, Denise
Thiémard (64.04m) war 1.67m gross.
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