Wie bringt man einem
Anfänger das Speerwerfen bei? Je nachdem wo man das
Speerwerfen erlernt, wird ein anderer Weg gewählt. Gute
WerferInnen werden aber überall geboren und an internationalen
Meisterschaften sind auch viele verschiedene Länder vertreten.
Also zeigt uns die Praxis: es gibt verschiedene Wege, die
funktionieren. Nachfolgend einige davon.
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Kontinental-europäischer
Weg: Der konventionell-kontinentaleuropäische
Ansatz ist vereinfacht folgender: Standwurf >> 3er
>> 5er >> Rückführung
>> vollständige Form. Dieser Weg ist allgemein
bekannt und er ist unten noch kurz mit zwei interessanten Variationen
skizziert. In Finnland wird ein anderer Ansatz gewählt |
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Finnischer Weg: In Finnland werfen
bereits sehr junge Kids aus einem längeren Anlauf (11 oder mehr
Schritte), was von den dortigen Trainern nicht wie bei uns verhindert
wird. Dies hat den Vorteil, dass die schwierige
Bewegungsverknüpfung von Anlauf und Abwurf bereits
früh, im besten Lernalter ständig geübt wird. |
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Tschechischer Weg: Barbora Spotakova
zeigte anlässlich von "Jugend trainiert mit Weltklasse" 2011
in Langenthal einen Weg über Kurzanläufe (vom 3er zum
7er), die aber alle mit sehr hoch gehaltenem Arm (Hand ca. 20cm
über Scheitelhöhe) ausgeführt werden mussten. |
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a) Meine persönliche
Methodik
Ich selber bin ja als Trainer in der Nachwuchsleichtathletik gross
geworden. Seit 1992 unterrichte ich Kinder und Jugendliche in der
Leichtathletik. Schon bald habe ich begonnen den Begriff des
Anfängers zu differenzieren.
Es gibt junge Anfänger, nämlich
Kinder im Prozess der Grundbewegungs-Ausbildung und wenig spezifischer
Speerwurf-Bewegungserfahrung. Und dann gibt es ältere
Anfänger, z.B. Sportstudenten von bald 20 Jahren mit
abgeschossener Grundbewegungs-Ausbildung aber wenig spezifischer
Bewegungserfahrung im Speerwerfen. Der unten präsentierte
Mainstream-Aufbau nach Haberkorn/Plass, ebenso wie die beiden Varianten
des DLV und der IAAF eignen sich meiner Meinung eher für die
zweite Gruppe.
Wenn ich selber heute ein Kind (also einen jungen Anfänger)
ans Speerwerfen heranführe, dann wähle ich folgenden
methodischen Aufbau - ohne zu behaupten, das sei jetzt der einzig
richtige Weg.
1)
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Schlagwurf über Schulter |
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Die
Grundbewegung des Schlagwurfs aus dem allgemein-vielseitigen
Bewegungsschatz heraus mit vielseitigem Werfen aus allen
möglichen Positionen und mit allen möglichen
Intentionen erlernen. |
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2)
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Schlagwurf aus freiem Anlauf |
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Aus
einem freien Anlauf (nicht zu lang; einige Meter) heraus das Kind
anlaufen lassen und den Wurf mit Stemmbein vorne beibringen. Dies zu
Beginn mit Anlauf-Abbremsen beim Abwurf, aber sofort auch Formen mit
ein wenig Weiterlaufen zulassen. Nur Anlaufen und Stemmen; noch kein
Impulsschritt!
Die Hüfte schaut nur leicht zur Seite, aber die Knie und
Füsse noch geradeaus. Der Oberkörper ist auch leicht
abgedreht. Den Arm nach hinten, muss locker in Schulter sein (nicht
steif) und braucht auf dieser Stufe noch nicht voll gestreckt zu sein. |
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3)
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Schlagwurf mit Impulsschritt
...und Rhythmus
"Jam-Tatam"
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Das
Werfen aus Impulsschritt vorzeigen und nachmachen lassen. Hier zeige
ichs aus etwa 5 Schritten vor (aber fordere vom Kind explizit keinen
fixen Anlauf/Schrittzahl!!!). In einem ersten Schritt soll die
Beinarbeit des doppelte Überholens erlernt werden. Klappt das,
soll die Bewegung in einem zweiten Schritt mit einem Rhythmus
"Jam-Tatam" vervollständigt werden.
Die Hüfte kann nun noch etwas mehr zur Seite schauen als
vorher. Parallel dazu entwickle ich immer einen etwas längeren
Arm (wichtig: lockere Schulter!). Der Oberkörper ist zur Seite
abgedreht. |
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4)
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Spezifische Koordination mit dem Speer |
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Nach
dem erlernen und ausprobieren aller Griffarten geht es darum, die
koordinative Basis für ein unvekrampftes körpernahes
Handling des Speers (Problem = Längsstruktur des
Geräts) mit vielseitigen Geh-, Lauf-, Dreh- und
Hüpfformen anzueignen.
Das eigentliche Werfen mit dem Speer baue ich so auf, dass ich das
Werfen zunächst hauptsächlich aus einem sehr hohen
Arm nach unten (Steckwürfe, Zielwürfe nach unten) wie
die Tschechen fordere, bevor dann horizontale Würfe und
schliesslich Würfe nach oben in Angriff genommen werden.
Das Speer-Handling kann parallel zu obenstehenden Punkten erlernt
werden und man soll nach dem Primär-Erlernen der
Ausbildungspunkte 1 bis 3 (mit Bällen, Steinen, etc) jede
Bewegung auch mit dem Speer ausprobieren/üben. |
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Damit ist nun eine gestaltbare Basisform mit allen wesentlichen
Teilpunkten vorhanden. Nun schule ich in jeder Lektion untenstehende
Kernebewegungen, die ich parallel und individualisiert nach
Stärken-/Schwächenprofil des Athleten entwickle.
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a)
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Anlauf-Beschleunigung zum Abwurf |
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Nun
entwickle ich den Schlagwurf mit Impulsschritt ganzheitlich (d.h. immer
Anlaufen plus Abwerfen) so, dass ich aus zunächst etwas
kürzeren (5er) und kontinuierlich auch längeren
Anläufen eine Tempo und Rhythmussteigerung zum Abwurf hin
verlange. |
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b)
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Stemmschritt und Blockieren |
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Hierzu
gehört die Schulung des Haltens der linken
Körperseite, insbesondere eine sehr bewusste
Gegenarm-Führung. Im Unterkörper betrifft dies die
Fussarbeit (Klappbewegung des Stemmbeinfusses), aber auch diverse
Punkte in Knie und Hüfte. |
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c)
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Spannung |
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Die
drei Spannungen, den Arm-Zug durch Schulter-Zwick (Arm =
Peitschenschnur) und das "unter-den-Speer-kommen" als Effekt
spüren und gezielt abrufen können. |
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d)
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Anlaufgestaltung und
Speer-Rückführung |
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Zur
Komplettierung des Anlaufs wird die Speerrückführung
auf zwei Schritten erlernt, was in der Regel sehr rasch erledigt ist.
Um zu einer individuellen Ausführungsform (z.B. für
einen Wettkampf) zu gelangen, wird dann der Anlauf individuell
für den aktuellen Könnensstand festgelegt. |
b) Konventionelle internationale
Methodik
Deutsche Lehrbuch-Methodik
Quelle:
Haberkorn/Plass, 1992, 169
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Kommentar Isidor
Fuchser zur hierzulande herrschenden Lehrbuch-Methodik
Das nebenstehende Schema nach Haberkorn/Plass zeigt die allgemein
anerkannte kontinentaleuropäische Methodik, die von
Hochschul-Professoren nach allen wissenschaftlichen Kriterien der
Pädagogik, Trainingswissenschaft wunderschön
zusammengestellt wurde.
Ich selber bin weder Sportwissenschaftler noch Lehrer - ich habe zwar
an der Uni studiert, aber nicht auf diesem Gebiet. Ich kokettiere als
Trainer eher mit dem Vergleich des Handwerkers, des Praktikers.
In den vergangenen Jahren habe ich die veschiedensten Methoden
ausprobiert. Als junger Leiter natürlich brav nach dem
Schulbuch-Schema. Mit den Jahren versucht man natürlich mal
verschiedene andere Wege aus. Und wenn man wie ich das Glück
hat, in verschiedenen Ländern bei erfolgreichen Trainern
über die Schulter zu schauen, dann beginnt man
plötzlich neue, in bestimmten Fällen
erfolgsvesprechendere Wege zu entdecken, die von nebenstehender (nicht
zwingend falschen!) Lösungsvariante abweichen.
Als Trainer gewichte ich nach all den Jahren empirische Erkenntnisse,
insbesondere die unschätzbar wertvollen
"was-passiert-wenn"-Erfahrungen von mir und meinen Trainerkollegen
höher ein als sportwissenschaftliches Wissen von
Bürostuhl-Dozenten. Wie in der Medizin: die Natur ist der
Wissenschaft immer einen Schritt voraus.
Deshalb möchte ich ein Plädoyer dafür
halten, die Schulbuch-Lösungen wie nebenstehendes Schema als
eine Möglichkeit unter vielen anzusehen. Wichtiger als
haargenau diesem Weg zu folgen sind vielmehr die zugrunde liegenden
Prinzipien, nach denen es entworfen wurde: aufbauend, vom einfachen zum
komplexen, vom langsamen zum schnellen |
Die 6-Stufen-Methodik nach IAAF
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Die IAAF
wählt in ihrem Lehrmittel Run! Jump! Throw! einen einfachen
und direkten Lernweg in 6 Teilschritten zur Technik:
1) Frontalwurf 2) Standwurf 3) Wurf aus 3er 4) Wurf aus 5er 5) Anlauf
und Rückführung 6) Ganze Sequenz
Mehr Infos: IAAF Website / die Methodik
praktisch 1:1 übernommen und auf deutsch findet man im Skript der DSH
Köln
Vor- und Nachteile:
einfach,
direkt zielgerichtet, ganzheitlich
wenig
Vielfalt und Kreativität, Standwurf-Varianten und Frontalwurf
als Einstiegs-Schritt fragwürdig, Fehler-Eingrenzung schwierig |
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In diesem Lehrmittel
wird ein geschlossener Lernweg über die Vermittlung
aufeinander aufbauender Phasen gewählt. Die Reihenfolge ist
grundsätzlich die umgekehrte Chronologie des Wurfes. Die
Vermittlung der Bewegung erfolgt von Anfang weg nur mit dem Speer.
Alles ist aufeinander aufgebaut und immer wird ein Bewegungsteil mehr
dazugeschaltet; an sich sehr plausibel. Etwas fragwürdig an
diesem Lernweg sind höchstens die ersten zwei Teilschritte.
Aufgrund der sehr heterogenen Leserschaft dieses Lehrmittels mussten
die Verfasser einen sehr einfachen und direkten Ansatz wählen. |
Die 3-Stufige Methodik nach DLV
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Der DLV publiziert
eine dreistufige Aufbaureihe vom 3er zum 5er zum 7er. Jede Stufe wird
zunächst aus dem Gehen und dann mit spezifischem Rhythmus
(Impusschritt) mit dem Ball und dann mit Speer trainiert.
Beschreibung mit Bildern und Video-Sequenzen auf hier auf leichtathletik.de
Vor- und Nachteile:
einfach,
zielgerichtet, ganzheitlich, Veknüpfung Anlauf-Abwurf immer
vorhanden
wenig
Vielfalt (Basis via Wurfspiele) und Kreatitivtät
möglich, Fehler-Eingrenzung schwierig |
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Auch hier ein
geschlossener Lernweg, welcher aber der Verknüpfung Anlauf und
Abwurf hohes Gewicht beimisst...was in meiner persönlichen
Beurteilung der beiden Ansätze hier ein entscheidender
Pluspunkt gegenüber der IAAF-Methodik ist. In der
Vermittlungs-Chronologie folgt man den Prinziplien "vom einfachen zum
komplizierten" und "von langsamen zum schnellen". Die Vermittlung der
Bewegung erfolgt zunächst mit Bällen und erst in
einem nächsten Schritt mit dem Speer, damit man sich
zunächst immer auf die neuen Inhalte der Beinarbeit
konzentrieren kann und nicht vom Gerätehandling auch noch
gestört/abgelenkt wird. |
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