Speere
Speere einer bestimmten Gewichtsklasse sind zwar etwa gleich schwer,
aber sie unterscheiden sich hinsichtlich zahlreicher Faktoren. Mit der
Wahl des individuell optimalen Speers versucht man Einflussfaktoren wie
Wind, Leistungsvermögen oder Wurfstil, aber auch individuellem
Wurfkomfort bestmöglich Rechnung zu tragen und so einige
Centimeter oder sogar Meter zusätzlich herauszuholen oder aber
für Trainingszwecke einen schonenderen Speer zu
wählen.
Vor der Anschaffung eines Speers soll man ihn unbedingt testen. Zum
Beispiel bei mehreren Klubs oder Kollegen verschiedene Modelle
ausleihen und dann Test-Werfen machen. |
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Material
Die
heute
gebräuchlichen Sportspeere bestehen aus Aluminium, Metall,
Carbon
oder sind Legierungen (Materialgemische). Kaum mehr
gebräuchlich
aber eigentlich immer noch erlaubt sind Holzspeere. Gemeinsam ist bei
allen Speeren eine Metallspitze. Es gibt verschiedene Härten,
die
auf unterschiedliche Materialzusammensetzungen und Verarbeitungen
zurückzuführen sind. Diese Unterschiede
spürt und sieht
man dann auch als Werfer sehr schnell.
Geräte aus Holz oder manchen Metallen sind eher weich. Beim
Abwerfen "wabbeln" sie. Dieser Effekt kommt davon, dass sie eine
unsaubere Abwurftechnik aufnehmen und in seitliches Schwingen
umwandeln. Dies ist einerseits schonender für die Gelenke des
Werfers, aber andererseits beeinflusst dies die aerodynamischen
Flugeigenschaften des Speers negativ. Aus diesem Grund sind
Wettkampfspeere besonders hart - und haben deshalb genau die umgekehrte
Wirkung auf die Gelenke resp. die Flugeigenschaften. An
Grossanlässen werfen die meisten mit Nemeth oder
Nordic-Speeren;
diese sind bei uns auch Marktführer. Weitere Anbieter wie
Polanik,
OTE oder Getra sehe ich persönlich eher im Breiten- oder
Schulsportsegment.
Carbon-Speere: Sind am steifsten und wegen der Vibrationsarmut
theoretisch am idealsten. Weil das Wurfgefühl damit aber
gleichzeitig ein völlig anders ist und man mit ihnen aus
gesundheitlichen Gründen nicht zu oft trainieren soll, ist die
Differenz zu den sonst üblicherweise geworfenen
Geräten halt gross. Und schliesslich sind Carbonspeere auch am
teuersten.
Komposit-Speere der Firma Nordic wie der Nordic Olympica (Karbon mit
Metall) oder der
Nordic Aura (Fiberglas-Komposit) sollen die positiven Eigenschaften
vereinen, aber setzten sich in meinen Augen nicht so recht durch. Man
muss diese Speere gut treffen und sie reagieren viel sensibler auf
schwierige Windverhältnisse. Vielversprechender sind jedoch
die
Composite-Speere von Nemeth (z.B. Classic Composite 95), mit denen wir
gute Erfahrungen gemacht haben.
Link: Video wie ein Speer hergestellt wird
(englisch)
Link: Noch besseres Video wie ein Speer
hergestellt wird (ist aber auf RUS) |
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Konstruktion
Anders
Börgstöm beschrieb in seinem Artikel "The
development of the
javelin" (2000) folgende wichtige Konstruktionsmerkmale aus
biomechanischer Sicht:
- - das
Massenzentrum sollte sich so weit hinten befinden, wie es die Regeln
erlauben
- - das
Gewicht sollte so gering sein, wie es das Reglement erlaubt
- - die
Fläche vor dem Massenzentrum sollte
grösstmöglich sein, d.h. der Speer so dick wie es die
Regeln erlauben
- -
die Fläche hinter dem Massenzentrum sollte so klein wie
möglich sein, d.h. der Speer so dünn wie es das
Reglement
erlaubt
- - die
Spitze des Speers sollte so breit sein, wie es die Regeln erlauben
- - der Speer
sollte aus einem Material sein, das so rasch wie möglich die
Vibrationen reduzieren kann
- - der Speer
sollte so kurz sein wie möglich
- Bis
auf den letzten Punkt können wir aus empirischer Sicht die
Empfehlungen von Borgström teilen. Bei der Speerlänge
gilt
die Aussage wohl nicht ganz für alle Speergewichte. Wohl
für
die 800g-Speere mehr als für 400-500g. Bei unseren Versuchen
mit
400g-Speeren stellte sich heraus, dass wir mit den längeren
Speeren konsequent die besseren Resultate erzielen konnten.
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Kordel
Die
Griffwicklung besteht aus einer geflochtenen Schnur. Dieser
"Interface"-Punkt wird vom Werfer sehr sensibel wahrgenommen und daher
kann ein noch so perfekt designter Speer seine Wirkung beim Athleten
nicht entfalten, wenn der Griff nicht als angenehm und fest
wahrgenommen wird. Die Wahl wird von der Handgrösse, aber auch
verschiedensten individuellen Komfort-Vorlieben bestimmt.
In der Regel ist ein Griff ab Werk gewickelt. Man kann es aber auch neu
anfertigen lassen oder sogar selbst machen (Masse und Distanzen gibt
das Reglement genau vor). Anleitung hier. |
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Farbe
Die Speere von Nordic haben einen Farbcode der das Material seine
Windspezifikation beschreibt.
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Farbcode der Nordic
Carbon Speere |
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Weiss-Violett =
Frontalwind // Champion Carbon 800 / Diana 80 carbon (600g)
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Weiss-Hellblau =
Rückenwind // Orbit Carbon 800 / Xena carbon (600g)
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Weiss-Rot = Alle
Windverhältnisse // Airglider Carbon 800 / Indra carbon (600g)
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Weiss-Grün
= Karbon-Komposit // Olympia Carbon 600
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Farbcode der Nordic
Stahl Speere |
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Violett-Weiss =
Frontalwind // Champion Steel 800 oder Diana 80 (600g)
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Hellblau-Weiss =
Rückenwind // Orbit 800 oder Xena (600g)
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Rot-Weiss = Alle
Windverhältnisse // Airglider 800 oder Indra (600g)
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Praxis-Tipps
für die Speer-Wahl
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Beim Ausprobieren
sollten direkte Weiten-Vergleiche und Wohlfühlfaktor den
Ausschlag für die Wahl geben |
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Ein Speer soll
SCHÖN fliegen. Ruhig, wenig vibrieren und in einer harmonisch
gleichmässigen Flugbahn |
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Zweckorientiert
wählen: weiche Speere fürs Training, aber etwas
härtere als Wettkampfgerät |
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Bei
500g/700g-Gerät: allenfalls einen Zweitspeer wählen,
der am Schluss etwas mehr runterzieht |
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Zweck: Training oder
Wettkampf?
Für den Bereich Training wählt man eher weichere
Speere, da diese den Ellbogen etwas weniger belasten. Das heisst Speere
aus Stahl oder Alu; sicher keine Carbonspeere. Meine Empfehlung: Von
Getra das Modell Competition II (absoluter Preis-Leistungssieger!) oder
von Nordic das Modell Viking. Viele Schulen bei uns in der Umgebung
schaffen sich von Polanik Class I an - nicht zu meiner Freude. Ich
finde sie komisch zu werfen, sie haben eine unangenehme Kordel die
schnell kaputt geht und sie verbiegen sich relativ schnell.
Für den Wettkampf wählt man besser etwas(!) steifere
Geräte, welche durch weniger Vibrationen die Flugbahn weniger
beeinflussen. Eine recht sichere Wahl sind meiner Meinung nach die
Nemèth Classic Modelle. Beliebte 600g-Speere bei uns sind
Nemeth 85 und Nordic Diana.
An dieser Stelle möchte ich anmerken, dass ich an
Wettkämpfen in der Schweiz sehr sehr oft Athleten mit
für sie viel zu harten Speeren werfen sehe! Sehr harte Speere
(=Flex unter 6.0
oder wenn eine Weite von 70 oder mehr drauf steht) wie z.b.
Carbonspeere haben im Bereich unter 50m (600g) resp. 70m absolut nichts
zu suchen. Aus dem Bauch heraus würde ich behaupten, dass bei
600g-Speeren sowieso erst ab etwa 35m überhaupt eine sichtbare
Differenz feststellbar ist. Und dann je weiter, je markanter. Bei den
kürzeren 400g-Speeren ist für mich als Trainer ein
Unterschied erst jenseits der 40m erkennbar. An
Nachwuchsgrossanlässen stellte ich fest, dass sehr oft die
höheren Nemèth-Speere oder dann die besseren
Nordic-Modelle
geworfen werden.
Faktor Wurfstil
Verschiedene Werfer - verschiedene Speere. Der individuell beste Speer
ist einer, der die eigenen Stärken am besten zur Entfaltung
bringt und allenfalls gewisse Schwächen absorbiert. Wer
technisch sauber wirft, braucht einen anderes Gerät, als ein
Grobtechniker.
Subjektive Faktoren / Gefühl
Komfort- oder Wohlfühl-Faktoren spielen eine nicht zu
unterschätzende Rolle bei der Gerätewahl. Einen
Speer, bei dem es einem wohl ist beim Werfen, wird man (unbewusst)
unverkrampfter und lockerer und somit besser werfen. |
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Merkblatt
Tipps zum Speerkauf |
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Wind und Aerodynamik
Ist grundsätzlich Rückenwind oder Gegenwind
günstiger? Die alten Speere mit Schwerpunkt weiter zum Zentrum
des Speeres flogen bei Gegenwind weiter. Die neuen Speere fliegen eher
bei Rückenwind weiter. Letzteres liegt aber nur am letzten
Flugdrittel, wo durch den Wind eine Widerstandskraft die dem Flugvektor
entgegengrichtet ist. Gegenwind wirkt sich also auf die Landungsphase
der neuen Speere immer negativ aus. Wenn man den alten Speer richtig
"getroffen" hat, dann hatte sich der Gegenwind durch die Verbesserung
des Auftriebs auf die gesamte Flugstrecke immer positiv bemerkbar
gemacht.
Wissenschaftlich untersucht wurde der Vorteil von Rückenwind
bei neuen Speeren u.a. in einer Studie von Les Hatton.
Je nachdem ob man
Rückenwind oder Frontalwind hat, haben sich gewisse
Speerdesigns als günstiger erwiesen. Diesem Umstand haben sich
die Hersteller angepasst und entwarfen windspezifisch angepasste
Modelle. Für Gegenwind kürzere gleichmässig
spitz zulaufende, hingegen für Rückenwind eher lange
zigarrenförmige Speerspitzen. Nordic hat dies sogar mit einem
Farb-Code sogar kenntlich gemacht (siehe unter "Farbe")
Man muss aber realistischerweise bemerken, dass in der Praxis der
Einfluss des Anstellwinkels auf die Aerodynamik des Speerfluges in
geschätzten 99% der Fälle höher ist, als
derjenige des Windes. |
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Regeländerungen
der Konstruktion
Die
Männer-Speere
wurde durch die IAAF am 1.4.1986 einschneidend verändert,
nachdem
der Deutsche Uwe Hohn mit 104.80m deutlich machte, dass mit der
bisherigen Gerätekonstruktion die Wettkampfarenen
demnächst
zu kurz werden würde. Ein um vier Zentimeter nach vorn
verlagerter
Schwerpunkt sowie eine verkleinerte Speeroberfläche sorgen
fortan
für kürzere Flüge, weil das Gerät
im letzten
Flugdrittel die Spitze früher nach unten senkt. Die Speere
landen
seitdem häufiger mit der Spitze und hinterlassen genauere
Abdrücke was die Weitenmessung erleichtert und es gibt keine
Gültigkeitsdiskussionen. Letzteres bewog die IAAF im Jahr 1999
bei
dem 600g-Gerät der Frauen nachzuziehen und ebenfalls die
Konstruktion mit nach vorn verlagertem Schwerpunkt einzuführen.
Die Hersteller versuchten danach mit aufrauhen oder aufbohren des
Heckeils einen Teil des Weitenverlustes mit neuen Konstruktionskniffen
wieder wett zu machen, bis 1991 die IAAF dies ebenfalls verbot und alle
mit solchen Speeren geworfenen Resultate für ungültig
erklärte, inklusive einem Weltrekord von Seppo Räty
auf 96.96m im Jahr 1991.
-Flugverhalten alter
Speer |
|
--Flugverhalten neuer
Speer |
-- Link Engineering Sport
-
Doch auch die heutigen neuen Speere unterscheiden sich punkto
Segeleigenschaften stark!
Dies weil der vorgeschriebene Schwerpunkt nicht in jedem
Speer-Gewichtsklasse am relativ gleichen Punkt ist. Im IAAF-Reglement (Regel 193/6) ist notiert, welche
Gesamtlänge ein Speer minimal und maximal haben darf und
wieviele Milimeter von Spitze/Heck entfernt der Schwerpunkt sein darf.
Dies hat zur Folge, dass der 500g-Speer (KSP bei 0.44%) vor dem
700g-Speer (0.43%) die reglementarisch besten Segeleigenschaft haben
kann. Das 600g-Gerät (0.41%) und der 800g-Speer (0.40%) ziehen
mit
der Spitze dagegen früher zu Boden.
In der Praxis muss man folglich bei 500g und 700g-Speeren auch darauf
achten, dass man immer auch einen zweiten (sicheren) Speer dabei hat,
der etwas mehr zu Boden zieht. |
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Wurfparabel
Das Speerwerfen ist ein sogenannt schiefer Wurf. Da einerseits der
Abwurf- und Landepunkt nicht identisch sind und andererseits die
aerodynamik beim Speerwerfen eine grossen Einfluss auf den Flug des
Gerätes hat, ist die Bahn eines Speeres die einer Parabel.
- Artikel zum Schiefen
Wurf: warum nicht 45 Grad der ideale Abwurfwinkel ist |
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Links
- Implements-Liste IAAF (PDF) / Website IAAF Technical
- Übersicht Härtegrade der
Nordic-Speere (sortiert nach Gewichtsklasse / © Ivo
Schneckenburger)
- Übersicht Härtegrade der
Nordic-Speere (sortiert nach Härte)
Biomechanik
1: Link Engineering Sport
Biomechanik 2: Link IFS Darmstadt, Wikiprojekt Speerwurf
- Websites Hersteller: Nordic ¦ Nemèth
- Shops für den Speerkauf in der Schweiz: KS Sport (Siebnen SZ)
¦ javelin.ch (Winterthur ZH) |
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