Technik - Phasen, Lösungen, Varianten
 
Auf dieser Seite möchten wir besondere Aspekte der Technik nach einzelnen Phasen für die speziellen Interessen von Trainern darstellen. Für die Individualisierung der Technik auf den Athleten ist es für einen Trainer unabdingbar, verschiedene Wege zu kennen. Da dies sowohl in der Leiter-Ausbildung wie auch in der Literatur eher dürftig vermittelt wird, möchten wir mit einigen Infos in dieser Richtung diese vorhandene Lücke schliessen.

» Das schönste Technikvergleichs-Video auf Youtube, das ich fand ist dieses spanische Video.
» René-Jean Monneret hat
in diesem Beitrag und Videos die Speerwurf-Technik gut zusammengefasst
 
 
A. Der Anlauf
Beobachtungen und Vergleich der Anlaufsgestaltung junger Werfer in Finnland mit der Schweiz

Im Teilbereich Anlauf/Abwurf haben unsere Athleten gegenüber den durchschnittlichen finnischen WerferInnen einen grossen technischen Rückstand. Erstens laufen sie aus kürzerem Anlauf und viel langsamer an und nehmen somit weniger Tempo mit. Zweitens wären die allermeisten unserer Athleten nicht in der Lage schnelle Tempi in den Abwurf umzusetzen. Warum?
Ich stellte bei meinen Beobachtungen in Finnland eine völlig andere Kultur beim Anlaufen fest. Es ist in Finnland bereits für die allerjüngsten WerferInnen ganz selbstverständlich, dass sie aus einem längeren Anlauf anlaufen, bevor sie abwerfen. Es ist eine ganzheitliche Schulung, die dort von den Trainern nicht wie bei uns geradezu verhindert wird. Sie bringen sich das Umsetzen von schnellen Anlauftempi "on the training" selber bei:
Video von 8-10-jährigen finnischen Kids beim freien Trainingswerfen

Bei uns wird dies durch Trainer schlichtweg verhindert, die (freilich in guter Absicht!) die Athleten zuerst ausgiebig aus Stand und 3er werfen lassen wollen, bevor sie den Kids dann längere Anläufe erlauben. Hier müssen wir umdenken und einen Paradigmawechsel vollziehen! Technisch schwierig ist beim Werfen ja insbesondere die Verknüpfung zwischen Anlauf und Abwurf. Deshalb soll man diese Schlüsselstelle bereits früh üben und erlernen - wenns noch leichter fällt. Ganzheitlichkeit im Wurfbereich heisst:
Anlaufen plus Abwerfen.

Fazit:
Ich finde, 5-7 Anlaufschritte gehören bereits ins Kinder-LA-Programm! Sobald jemand über die Schulter werfen kann, soll als nächstes sofort ein Anlauf aus 5 oder mehr Schritten vorhergeschaltet werden. Der 3-Schrittanlauf ist meiner Ansicht nach auf keiner Stufe ein Wettkampf-Anlauf, sondern nur eine Zwischenstufe auf dem Weg zum 5er oder 7er-Anlauf.

Pflicht-Lektüre: Klaus Bartonietz hat den Anlauf in seinem Artikel "Der Impuls für weite Speerflüge" in der Zeitschrift leichtathletiktraining Nr. 7/2004 sehr gut beschrieben, korrekt eingeordnet und gebührend gewürdigt.
 
1. Tragelauf (Zylischer Anlaufteil)



Da dieser Teil einzig dazu dient, den Körper auf Tempo zu bringen und für die Hauptphase oder deren Vorbereitung kaum Einfluss hat, sind hier viele Varianten denkbar: von der gängigen Speerhaltung neben dem Kopf beginnend bis zu Vertikal-Tragarten à la Steve Pearson, Chris Hill oder Aki Parviainen ist hier alles denkbar. Der Tragelauf darf am Schluss aber nur so schnell sein, dass nach dem Übergang in den Rückhaltelauf ein weiterer Tempogewinn möglich ist.
Ein methodischer Ansatz, den ich noch sympatisch finde ist, den Tragelauf punkto Rhythmus oder Charakter vom Rückhaltelauf verschieden zu gestalten und so eine Dynamikerhöhung in den anschliessenden Rückhaltelauf zu erleichtern.
 
2. Rückführung

Die Rückführung ist die erste Phase zur Wurfvorbereitung. Sie kann durch eine Zwischenmarke perforiert werden. Den v.a. in Deutschland oft zu beobachtenden, begleitenden "Hopser" finde ich persönlich überflüssig und für die weitere Beschleunigung der nachfolgenden Schritte eher kontraproduktiv. Mit der Speerrückführung dreht sich die Schulterachse um ca. 90° entgegen der Wurfrichtung. Manche Werfer nehmen die Wurfschulter noch stärker zurück (z.B. De Zordo oder früher Zelezny), um auch die seitliche Rumpfmuskulatur in die Wurfbewegung einzubringen.
Bei dieser "Schaltstelle" im Übergang vom frontalen Anlauf zum Lauf in seitlicher Körperhaltung gab es in der Geschichte des Speerwerfens verschiedene Ausführungsvarianten, die als gleichberechtigt angesehen werden müssen. Die Rückführung des Speers mit anschliessendem Abdrehen im Oberkörper (und Hüfte) erfolgt in der Regel auf 2 Schritten, vereinzelt auch auf einem Schritt.

Schwedische Rückführung
 
  Ausführung:
Arm horiziontal geradlinig auf 1 bis 2 Schritten nach hinten führen

Vorteile/Nachteile:
einfach auszuführen, wenig Fehlerpotenzial (Armhöhe)
individuelle Stärken evtl. nicht ausgenutzt

Fazit:

Die verbreitetste und methodisch wohl einfachste Rückführung, am besten auf 2 Schritten ausgeführt
     

     
Finnische Rückführung

Ausführung:
Arm bogenförmig nach vorn-unten, dann nach hinten aufwärts führen

Vorteile/Nachteile:
allenfalls grössere Lockerheit in der Wurfschulter
erhöhtes Fehlerpotenzial (Wurfarm bleibt unter Schulterniveau)

Fazit:

Heute eher selten ausgeführt. Bsp:
Zelezny, Lusis, Oosthuizen
     

     
Russische Rückführung
     
Ausführung: Arm (meist aus eh bereits) hoher Haltung bogenförmig aufwärts-rückwärts nach hinten führen

Vorteile/Nachteile:
hohe Ellbogenposition wahrscheinlich
führt oft zu eher verkrampfter Schulter/Oberkörper-Position

Fazit:

Heute praktisch nicht mehr zu sehen. Bsp:
Laasma
   
 
3. Rückhaltelauf (Übergang zu / azylischer Anlaufteil)


a) Varianten der Schrittgestaltung

Im Sinne individueller Gestaltung kann der Rückhaltelauf unterschiedlich lang sein: von minimal 3-5 Schritten an aufwärts bis ca. 9 Schritten sind hier mehrere Varianten gebräuchlich.
Es ist festzustellen, dass in der kontinental-europäischen Methodik ein 5er-Rhythmus dominiert (Rückführung rechts-links und dann tatatam-tatam); in Deutschland beinahe doktrinär.
Im skandinavischen Raum oder Übersee sind Anläufe mit längerem Rückhaltelauf etwas häufiger zu beobachten. Die Athleten mit 7 Schritten Rückhaltelauf tun dies unter anderem "aus Zeitgründen", um die Position vor dem Impulsschritt individuell besser und ohne Hektik einnehmen zu können. Die Schwierigkeit dieser Variante ist, das Tempo trotz zurück gehaltenem Arm weiter zu steigern. Es erfordert halt nebst grossen Beinschnelligkeitsvoraussetzungen und einem gewissen "Anlauftalent" auch viel Übung.
Beispiele:
Krammes, Takala, Wallin, Hatsko, Sayers

Als weitere Variante, die im RTP Jugend Wurf des DLV (S. 144) genannt wird: "der 7er Rückhaltelauf mit doppeltem Impulsschritt". Dem stehe ich sehr skeptisch gegenüber, weil es hierdurch zu einer zweifachen Auf-und-Abbewegung und einem damit verbundenen massiven Abbremsen der Anlaufgeschwindigkeit kommt. Nach einem Impulsschritt nochmals mit einem zweiten Impulsschritt eine weitere Tempogsteigerung vor dem Stemmschritt hinzukriegen ist alles andere als einfach. Nix für die Masse jedenfalls.



b) Varianten der Beinarbeit

Auch punkto Ausführung der Beinarbeit im Rückhaltelauf sind mehrere Varianten zu beobachten.

Die klassische (kontinental-europäische) Schule ist am verbreitetsten und als Grundform sicher auch von jedem zunächst sinnvollerweise zu erlernen. Sie lehrt eine vor dem Körper "schaufelnde" Beinarbeit mit stetig leichter Rücklage, d.h. die Beine arbeiten deutlich sichtbar vor dem Körper. Manche tun dies mit zackig ausgeführten, eher etwas längeren Schritten. Das linke Bein bleibt dabei im Knie ziemlich fixiert. Das rechte Knie wird nach vorne und nicht zu hoch geführt. Viele deutsche und russische WerferInnen wenden diese Form an. Video siehe unten: Vergleich Mayer/Meier
   
Französisch: auspendelnd mit betonterem rechten Beineinsatz

In der französischen Schule wird dies bei vielen Athleten beim rechten Bein mit betont nach vorne auspendelndem rechten Unterschenkeln und betont nach vorn hoch geführtem rechtem Knie instruiert und ausgeführt.
Dies ist hinsichtlich eines flüssigen, flachen Anlaufs und insbesondere in der Folge der Impulsschrittvorbereitung und -ausführung wohl nicht ganz als unproblematisch zu beurteilen (in diesem Video ab 00:20).
   
Finnisch: schnelle Beinarbeit, flache Knieführung, kleinere Schritten

Aus Finnland kommt dagegen eine mit aufrechtem Oberkörper und unter dem Körperschwerpunkt geführte Beinarbeit mit etwas tieferer Kniearbeit, dafür etwas höherer Frequenz.
Mit dieser Variante gelingt es manchen Athleten besser, den Schritt zum Impulsschritt (viertletzter zum drittletzten Bodenkontakt) effektiver zu setzen. Damit hüpft man weniger und Distanzkorrekturen sind einfacher zu bewerkstelligen. Aber sie entspricht längst nicht dem Naturell jedes Athleten und wohl nicht allzu viele Trainer in der Schweiz können diese Variante korrekt instruieren.
   
Und Mischformen komplettieren die Individualität

Beispiele:
- Tiefe schnelle Beinarbeit (finnisch):
Ruuskanen, Pitkämäki, Dunderdale
- Normale, klassische Beinarbeit:
Värnik, Pyatnytsya
- Eher langsame Beinarbeit:
Martinez (im Vid ab 1:43min), Räty
- Sehr hohe Beinarbeit:
Špotáková (Slo-Mo ab 1:48min)
- Kurzanlauf:
Osleidys Menéndez warf 2005 Weltrekord aus 9er-Anlauf

Videovergleich von zwei starken Nachwuchswerferinnen:
Während Sarah Mayer (GER) die klassisch-europäische Schule mit leichter Rücklage und gestreckter Beinarbeit vor dem Körper zeigt, läuft Nathalie Meier (SUI) mit einem aufrechteren, ein kleinwenig anknienden und mehr unter dem Körper geführten Anlaufstil (individuell geprägte Form).
Anlauf-Studie Vergleich Rückhaltelauf Sarah Mayer und Nathalie Meier


c) Varianten der Oberkörper- und Armhaltung

Variante mit Spitze geradeaus
(Normaltechnik)

Normalerweise wird versucht, mit der Speerspitze immer nach vorne in Wurfrichtung gerichtet zu bleiben, um mögliche Abwurfverkantungen und dadurch folgende Weitenverluste zu vermeiden. Für die meisten Werfer ist diese Variante anzustreben.
 
 
Variante mit starker Verwringung:

Einige Athleten wie drehen Oberkörper und Speer ziemlich stark ab. Miklos Nemèth war einer der ersten, später Jan Zelezny und heute Mattias de Zordo, die so warfen.
Je mehr man sich abdreht, desto schwieriger ist es den Speer anschliessend wieder in einer geraden Bahn nach vorne wegzuwerfen ohne dass das Gerät von dieser Körperrotation negativ beeinflusst wird. Es ist eine Technik, die nur Werfer ausführen können, die eine spezielle Schulterbeweglichkeit haben und deren Abwurf eher etwas "aussenrum" geführt und anschliessend mit einem vergrösserten Verkantungswinkel abgegeben wird. Wer dieses "Kunststück" dennoch schafft, profitiert von einem verlängerten Zugweg.
 
4. Setzen zum Impulsschritt

Das Setzen zum Impulsschritt sollte aktiv und nahe am Körper mit greifendem Fussaufsatz erfolgen. Ein Setzen weit vor dem Körper bewirkt ein unzweckmässiges "Ausbremsen" (ähnlich wie beim Sprint) und ist eine Ursache für eine starke Körperrücklage beim Setzen des Druckbeins. (Bartonietz, 2004).
Ein etwas kürzerer Schritt zum Impulsschritt ermöglicht, den Impulsschritt schön flach auszuführen.
Zu stark vor dem Körper aufgesetzt ergeben sich häufig Bremswirkungen und insbesondere eine zu stark vertikal gerichtete Umlenkung des Bewegungswegs; insbesondere wenn man noch -wie beispielsweise in der französischen Literatur oft gefordert- eine betonte Schwungbewegung mit rechts ausführt

  Ziehender Fussaufsatz
Nur noch selten gesehen (Gründe siehe oben): mit eher frontalem Zugfuss, deutlich vor dem Körper aufgesetzter, lang gezogener Impulsschritt um anschliessend in eine grosse Körperrücklage zu kommen (Maximierung eines langen Zugwegs). Nachteil ist die Bremswirkung des linken Fusses und die anschliessend ungünstigere Beinposition, woraus fast nur lange Stembein-Kontaktzeiten resultieren können.
Fazit: Für (eher schwere) Kraftwerfer der alten Schule
Greifender Fussaufsatz
Seit mehreren Jahren die weitverbreitetste Variante: mit dem ganzen Fuss oder dem Ballen vor dem Körper und eher seitlich aufgesetzter Impulsschritt. Der Oberkörper hat meist eine leichte Rücklage.
Da auch hier eine anschliessende Vergrösserung der Rücklage gewollt (aber schwierig im perfekten Treffen) ist, ergibt sich hier je nach Perfektionsgrad fast immer eine leichte Bremsbewegung durch den Aufwärts-Hub und die nachfolgende Landung.
Fazit: die von den allermeisten Werfern angewandte Variante
 
5. Impulsschritt

In diesem Bewegungsabschnitt bestehen grosse Unterschiede zwischen verschiedenen Techniken / Wurflösungen. Es geht hier um den ersten Übergang vom Anlauf zum Abwurf. Der Körper soll dabei in eine möglichst optimale Position für die nachfolgende, abschliessende Abwurfphase -die mit dem Stemmschritt beginnt- gebracht werden. Je nach Techniklösung ist diese Position aber sehr unterschiedlich.
Es gibt sogar Athleten, bei denen fast gar kein Impulsschritt festzustellen ist (bsp.
bei 6:11min in diesem Video), aber diese nützen ihre Möglichkeiten selten voll aus.


a) Flacher Impulsschritt (Konventionelle Technik)
 

"Der Impulsschritt soll flach, mit aktivem Adruck ausgeführt werden. Ein aktives, greifendes Setzen des Fusses zum Impulssschritt mit der gesamten Fusssohle (nicht mit der Ferse) ermöglicht eine kurze Abdruckdauer, einen geringen Geschwindigkeitsverlust und eine flache Körperschwerpunkt-Bahn während der Flugphase. Die Gestaltung wird massgeblich durch den Einsatz des Schwungbeins bestimmt. Während des Abdrucks links ist ein impulshafter Einsatz des Schwungbeins mit geringer Amplitude flach nach vorn zu fordern."

(aus: RTP DLV)

Das linke Bein ist das aktive Bein bei der Impulsschritt-Bewegung! Man versucht, eine flach nach vorne gerichtete finale Temposteigerung zu erreichen. Dies gelingt durch einen aktiven Zug mit links, der ein klein wenig vor dem Lot der linken Schulter aufgesetzt und nach hinten durchgezogen wird.

Das rechte Bein ist das passivere Bein bei der Impulsschritt-Bewegung! Es bleibt beim Überholen tief und winkelt im Knie kaum an. Während der Flugphase überholt das rechte Knie das linke ein wenig. Der Unterschenkel zeigt immer nach unten (kein Auspendeln nach vorn!). In der Luft soll der Druckfuss nach vorne drehen und mit etwa 45 Grad (individuell; je nach Beweglichkeit) zur Seite gerichtet landen. Im Moment der Druckbein-Landung muss das Stemmbein wieder vor dem Druckbein sein!

"Do active crossovers, keep it low, but do not swing it too far" (Hannu Kangas)
"Es ist das KNIE, das die Arbeit des linken Beines steuert; nicht der Fuss" (Reinhold Paul)


b) Impulsschritt ohne Knie-Überholen
  Ein anderer Ansatz geht dahin, dass man nach dem Impulsschritt-Zug mit dem Druckbeinknie (Rechtswerfer: rechts) das Zugbeinknie (links) kaum oder gar nicht überholt, um für den nachfolgenden Stemmschritt eine noch extremere Verschnellerung zu erzielen. Nachdem der Impulsschrittfuss bis leicht hinters Körperschwerpunkt-Lot gezogen wurde, wird der linke Fuss / das linke Bein bereits wieder nach vorn gebracht und man ist dann beim Druckfuss-Aufsatz mit dem Stemmbein schon viel weiter vorne als mit der konventionellen Technik. Damit dieser verkürzte Impulsschritt-Zugweg kompensiert werden kann, muss bei dieser Variante vorher mit einer umso höheren Geschwindigkeit angelaufen werden.
Diese Variante kann als technisch besonders schwierig bezeichnet werden, da sie sehr hohe Anforderungen ans genaue "Treffen" des Armzug-Zeitpunkts stellt. Unter anderem weil man mit dem resultierenden sehr kurzen Stemmschritt-Zeitmuster schnell überfordert ist und in der Folge mit dem Oberkörper schnell einmal zu stark nach vorne fällt, mit der linken Körperseite öffnet oder den Armzug zu früh einleitet.
Protagonist
Tero Järvenpää realisiert mit dieser Variante wohl weltweit eine der kürzesten Stemmschritt-Zeiten

c) Hoch ausgeführter Impulsschritt
  Manche AthletInnen ziehen den Impulsschritt eher hoch. Das heisst, sie ziehen das rechte Bein stärker nach oben und drücken mit dem Impulsschritt auch entsprechend etwas mehr in die Höhe ab.
Zu dieser Technik kommt man unfreiwillig auch oft, wenn man -wie mancherorts beschrieben/gefordert- mit dem rechten Bein einen sehr aktiven schwunghaften Impuls macht.

Damit gewinnt man beim Impulsschritt unmittelbar nach dem Verlassen des Bodens in der Luft vielleicht etwas Zeit, um das linke Bein wieder etwas einfacher in eine günstige Position zu bringen. Allerdings verliert man so meistens durch den Tempoverlust aufgrund der Bremswirkung durchs Landen deutlich an Energie, weshalb diese Variante nicht ohne Vorbehalt notiert werden kann.
Es ist festzustellen, dass dies einerseits in der französischen Fachliteratur und teilweise auch in der älteren deutschen Literatur (Publikationen etwa vor 1990) eine Technik mit hohem Knieschwung teilweise als Mustertechnik dargestellt wird. Das ist heikel!

d) Weitere Varianten
Man entdeckt immer noch neue Ideen, aber selten überzeugte irgendeine dieser Ausführungen bisher. Anlässlich der U18-WM in Lille zeigten Werfer aus Afrika und Asien teilweise sehr kreative, wenn auch nicht in jedem Fall effiziente Lösungen.
Schaut euch
in diesem Video die Werfer bei 3:33min und den bei 5:10min mal genauer an...
 
B. Der Abwurf
6. Landung zum Druckbein setzen

Hier zeigt sich die Tendenz, dass neuere Techniklösungen eine aufrechtere Oberkörperhaltung beim Setzen des Druckbeins verlangen. Je nach individueller Anlaufdynamik und Beweglichkeit soll die auf die Voraussetzungen / Stärken des Athleten ideale Variante ausgewählt werden.

Generell bedeutet mehr Rücklage zwar einen längeren Zugweg, aber auch Bremswirkung für die Horizontalgeschwindigkeit. Es hat wohl auch mit der Änderung des Geräte-Schwerpunktes (1986 resp. 1999) zu tun, dass die Speere heute etwas flacher abgeworfen werden, als in früheren Zeiten und diese Winkel mit einer Optimierung (Erhöhung) der Anlaufgeschwindigkeit besser zu realisieren sind.

Deutsche Lehrmeinung:
Idealerweise befindet sich die die linke Schulter wie im Bild oben bei Hecht über dem (rechten) Druckbeinfuss. Der linke Fuss ist in diesem Moment deutlich vor diesem, wenn die Scherbewegung aktiv ausgeführt wurde (mit schlagender Bewegung des rechten Utnerschenkels nach vorn mit geringer Amplitude und minimalem Kniehub) und wenn beim Lösen zum Impulsschritt "Spannung" auf den linken Hüftbeugern war (Bartonietz, 2004).

Hannu Kangas Meinung:
Je nach Fähigkeiten des Werfers, mit der Druckbeinferse im Zeitpunkt des Stemmschritt-Aufsatzes rechts hoch zu bleiben kann die Variante mit Lot über der rechten oder der linken Schulter gewählt werden.
 
7. Stemmschritt
» Auch hier bestehen mehrere hochleistungs-taugliche Varianten; nachstehend vier davon
» Gemeinsam ist ihnen, dass der Oberkörper beim Stemmfussaufsatz noch "zu" bleiben soll (Schulterachse in Wurfrichtung)
» Heute werden im Spitzenbereich eher Varianten 1+2 bevorzugt (vgl. WM 2011); früher eher 3+4 (vgl. OS 1980)
» Die meisten Breitensportler werfen de facto mit Variante 4 auch wenn viele von ihnen meinen sie werfen mit Variante 1
» Ein Druckbein-Fussaufsatz zur Seite mit über 90° zur Wurfrichtung ist als falsch zu bezeichnen
» Schöne Slow-Motion Vids verschiedener Stemmschritt-Setzvarianten: Video 1 ¦ Video 2

Variante 1: Ballenaufsatz-Technik mit Hüftdrehung
  - über Ballen mit 45° oder frontaler aufgesetzt
- Hüfte ist bei DB-Aufsatz noch ausgedreht
- Fuss/Knie drehen nach vorn
- Vorteil: Rotations-Muskelkette rekrutierbar
- Nachteil: technisch schwieriger, viel Kraft in Waden

- Beispiele:
Tafelmeier, Wöschler (RB)
Um diese Variante effektiv ausführen zu können ist es zentral, dass die Ferse angehoben und eingedreht ist und das Knie nach vorne und nach unten gerichtet ist BEVOR der Stemmfuss runterklappt. Nur so ist es möglich, durch eine (des Tempos wegen unwillkürliche!) Hüft-Rotation die Freisetzungs-Kette der potenziellen Energie (Verwringungs-Spannung) optimal auszuschöpfen.

Variante 2: Frontalsetz Technik
  - über den Ballen gerade aufgesetzt rechts weiterrollen
- Hüfte ist von Anfang an frontal ausgerichtet
- Knie rechts aktiv nach vorn unten drücken
- Vorteil: keine Hüftdrehung
- Nachteil: mehr Stemmkraft und Drehbeweglichkeit nötig

- Bsp:
Nerius, Zahndt (RB), Maniani-Tzelili (extrem)
Bei der (von vielen deutschen Frauen gewählten) Frontal-Technik-Variante ist angestrebt, das Gewicht lange auf dem rechten Bein zu behalten, bevor der Wurf über das Stemmbein gezogen wird. Der Abwurf wird durch eine aktive (gerade) Oberkörper-Neigebewegung nach vorn unterstützt. Dadurch das keine Hüftdrehung nötig ist, übergeht man die anspruchsvolle Technikschulung derselben und man erhofft sich Vorteile durch ein gerades Weiterarbeiten des rechten Fusses weniger Tempoverlust. Sie erfordert aber ein klar höheres Stemmbeinkraft-Niveau und eine sehr gute Oberkörper-Verwringungsfähigkeit.

Variante 3: Soft Step Technik
  - über Ballen >> Grosszehen ballen "passiv" seitlich abrollen
- Hüfte ist bei DB-Aufsatz zur Seite gedreht
- "Tilt" beim Druckbein-Aufsatz (Pfeil)
- Nachteil: Impulsweitergabe in Hüfte weniger effektiv
-
Tidow hat über diese Variante geschrieben
- Beispiele:
Wolfermann, Whitbread, Pedersen (RB)
Diese Variante wurde von einigen Spitzenwerfern angewandt und selbst Olympiamedaillen wurden damit erzielt (Wolfermann). Doch selbst Fatima Whitbread beurteilte später ihre eigene Fussarbeit mit dieser Technik als suboptimal. Auch Biomechaniker beurteilten diese Technik eher skeptisch.

Variante 4: Sohlen-Fersen-Technik
  - rechts über die Sohle oder Ferse auf dem ganzen Fuss
- Hüfte anfangs frontal (RB) oder auch seitlich
- Knie nach vorn unten drehen / drücken
- Vorteil: eher einfach bezgl. Technik und Kraftvoraussetzungen
- Bsp Sohle:
Hohn, Petranoff, Rittweg (RB)
- Bsp Ferse:
McHugh, Iordan, Abakumova
Terry McHugh (84m-Werfer) sagt hierzu, das er selber beim Druckbeinaufsatz über die Ferse abgerollt hat und deshalb später langwierige Fersenverletzungen zu kurieren hatte. Er würde es heute niemandem mehr so beibringen, sondern bevorzugt auf jeden Fall Ballenaufsatz-Varianten, also explizit ohne Fersenkontakt.

Die Fehler-Variante: auf Schweizerdeutsch die "Plumps-abe-u-ghei-dri-Variante"
Der Vollständigkeit halber zeige ich nun noch eine weitere Art der Ausführung , die aber ein klares Fehlerbild ist und keinesfalls als Technikvariante deklariert werden kann.
  - rechts passiv auf die Ferse runter plumpsen
- im Knie erst nachgeben, dann seitlich strecken
- keine aktive Fussdrehung; "es" dreht erst nach Stemmfussaufsatz
- Stemmschritt-Rhythmus: laaaang
- ins Stemmbein reinfallen

- Vorteil: muss nicht erlernt werden
- Nachteil: Bremswirkung, Knieprobleme, zu frühes Oberkörper öffnen
In der Schweiz werfen viele Jungs im Mittelmass-Bereich von 55-65 Metern genau so, trainieren das ganze Jahr über auf diese Weise Speer...und werden dann an der SM doch durch Mehrkämpfer geschlagen.
 

8. Blockieren Oberkörper/Gegenarm

Mögliche Armhaltungen beim Block
 
In dieser Phase sind die Gestaltungsmöglichkeiten eher begrenzt und die physikalischen Erfordernisse ziemlich eindeutig. Je nach Arm- und Schulterbeweglichkeit sind wie die nebenstehende Abbildung illustriert, gewisse Haltungs-Varianten des Unterarms denkbar.


Die Gegenarmseite bildet mit dem Block ein Widerlager zu den Zugkräften des Wurfarms und ermöglicht dem Wurfarm erst ein effektives Beschleunigen. Es darf insbesondere bis zum Abwurfzeitpunkt kein Ausweichen respektive Weiterrotieren des Oberkörpers hinter die 90-Grad-Linie zur Wurfachse passieren. Der linke Ellbogen bleibt möglichst vor der Oberkörpermitte.

Wichtig:
» Wir schauen darauf, dass beim Blockieen der Gegenarm-Ellbogen etwa rechtwinklig fixiert ist und nach vorn gerichtet vor der Körpermitte bleibt. Eher ungünstig ist ein offener, nach unten (oder hinten) gestreckter Gegenarm im Moment des Blockierens.
» Die linke Hüfte soll bis zum Abwurf nach vorne gerichtet bleiben und nicht nach links oder hinten wegrotieren.
» Reinhold Paul braucht folgendes Bild: "Stell dir vor, du hast hinter dem linken Ellbogen beim Blockieren ein Blech und du kannst nicht weiter rotieren, als bis 90° zur Wurfrichtung."

Der Finne Aki Parviainen ist ein schönes Beispiel für einen stabilen Block

 

Die weiteren Phasen sind derzeit in Arbeit und folgen hier bald...